Judenberg mit Spukschloss

1830 PichelsbergDas Spukschloss auf dem Judenberg bei der Alten Försterei Pichelsberge

Der “Judenberg” ist eine weitere Ortsangabe im Grunewald, welche in der Neuzeit verloren gegangen ist. Mit Mühe und “durchs Gelände kraxeln” ist es mir gelungen, den Hügel ausfindig zu machen. Allerdings ist von ihm durch den Bau der Hochhauswohnanlage an der Glockenturmstraße (/Angerburger Alle/Heerstraße) nicht mehr allzu viel erhalten geblieben, wobei ich nicht weiß, inwieweit der Bau der Anlage das Gelände dort im Einzelnen verändert hat. Meine Vermutung ist, dass zum Bau der Anlage, bzw. des Parkhauses und der Tennisplätze, Boden abgetragen wurde, denn sonst sind die auf den historischen Zeichnungen und Aufnahmen erkennbaren Gelände nicht so recht erklärbar.

Auf den kleinen Hügel führt heute kein frei begehbarer Weg mehr hinauf, man muss durch Geäst waten, um ihn zu “erklimmen”.

Bisher verfügte ich über Erzählungen, welche seinen Namen belegen, im Januar 2011 fiel mir dann auch ein kartografischer Beleg aus dem Jahr 1913, welcher sich auf das Jahr 1813 bezieht, in die Hände.

So wie auch die “Russenbrücke” am Postfenn oder die „Vier Eichen“ in der Nähe der Saubucht, möchte ich auch versuchen, den Namen “Judenberg” am Pichelsberg und am Stößensee hiermit nicht ganz in Vergessenheit geraten zu lassen.

In der unmittelbaren Umgebung zum „Judenberg“ befanden sich im letzten Jahrhundert mehrere Ausflugslokale:

  • Brückenpavillon – Kaisergarten – Wildgrube/Reichsgarten – Seeschloss Pichelsberge,

welche ich zusammen mit den zahlreichen anderen Lokalen des Gebietes um Pichelswerder  in einer eigenen Seite zusammengefasst habe.

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Vor hundert Jahren galt ein Ausflug in den Grunewald für eine bedenkliche, unter Umständen sogar mit Gefahr und Abenteuern verknüpfte Sache. Man machte zwar kein Testament vorher, aber man kam sich sich doch gewaltig kühn vor, und unter Freunden bot eine solche Fahrt nach nachträglich vielen Stoff zu lebhafter Unterhaltung und gute Gelegenheit zum Rümen des dabei bewiesenen Heldenmutes. Freilich war der Forst damals im Vergleich zu heute eine Einöde, und in tiefster Vereinsammung lagen die Pichelsberge, die gegenwärtig mit ihren neuen, vornehmen Restaurants, den großen Anspannungen, dem traulichen Forsthause ein so anheimelndes Bild bieten, daß wir uns ihren Zustand vor einem Jahrhundert kaum vorstellen können. Urwaldgestrüpp beherrschte die Abhänge, und am Havelufer lag, ungefähr in der Gegend des Restaurants Wildgrube, ein wüster Teerofen, das einzige Zeugnis dafür, daß vorzeiten auch Menschen an dieser Stätte gehaust. Hierher verirrte sich im Jahre 1797 ein junger Berliner Kandidat, der als märkischer Poet zu wohlverdientem Ruhme gelangte nachmalige Pfarrherr von Werneuchen, F.W.A. Schmidt, mit einem Freunde, dem Geheimsekretär Herzberg. Diesem widmete er später ein Gedicht, in dem wir die Eindrücke der Oede und des Grauens, welche die Gegend damals erweckte, treffend, wenn auch vielleicht mit ein wenig richterlicher Uebertreibung, wiedergegeben finden.

Geht dort einmal ein müder Wand’rer irr,
So muß er tagelang von Vogelkirschen
Sich sättigen, umflattert von Geschwirr
Des Federwild’s, begafft von Reh’n und Hirschen,
Noch glücklich, wenn aus dickem Dorngewirr
Der Bache Hau’r ihn nicht entgegen knirschen.

Er rettet selbst aus dieser Wüste Gräu’l
Zum Pfad sich nie hinaus, und überschrie’ er
Auch gleich der wilden Katze Nachtgeheul,
Bis ihn der Jäger leitet, ober früher
Vielleicht im Thal des Klosterschlägers Beil
Sein Kompaß wird aus fernes Roßgewieher.

Erst viel später bot die Försterei den Besuchern der Gegend einen Rastort und bescheidene Erfrischungen. Sie erhielt nach ihrem hallenartigen Vorbau bei den Berlinern den Namen Judentempel, während die Anhöhe, auf der sie stand, nach einer in den dreißiger Jahren erschienenen Karte der Judenberg hieß. Nach 1850 stand hier, am Ausgange des Spandauer Forstes, ein einzelnes Haus, welches bald zu einem sehr beliebten Vergnügungsorte der Berliner Bürger- und Beamtenfamilien wurde. Und heute? An Sonn- und Festtagen flutet freilich auch hier der breite Strom der Besucher; sonst aber läßt es sich unter den schattigen Beranden und Baumgruppen mit dem Ausblick auf den gegenüberliegenden hochufrigen Werder und die murmelnden Wellen des Stößensees sinnen und träumen wie ehedem.

Vielleicht erschließt sich uns unter solchen Träumen gar die bisher verborgende Bedeutung des dreimal – als Berg, Werder und Dorf – wiederkehrenden Klanges “Pichels” – wären die Namen nicht älter als die Brauerei drüben, so ließ sich eine echten Berliner Geist atmende Ethnologie rechtfertigen. So aber liegt die Sache tiefer, und unser Schmidt-Werneuchen hat noch von alten, heute längst verklungenen, mit dem Namen der Gegend vielleicht verknüpften Sagen gehört, wie aus folgender Strophe erhellt:

Zwar von des Urnenberges veruf’ner Kluft,
Die wilder Apfelbaum und Schleh’n umdunkeln,
Und deren Zugang Regen abgestuft;
Hört man im Dorf viel Wundersames munkeln:
Dorthin gebannt durch Hexenzauber, ruft
Ein Ries’ heraus, sobald die Sterne funkeln.“ „

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Wir überqueren die Teltower Straße in Richtung auf die Stößenseebrücke. Zwischen dieser und der Uferstraße steigt das Gelände zu einer Kuppe an, die steil nach dem Stößensee vor dem Seeschloß abfällt. Diese Anhöhe ist der Judenberg.
 
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Auf ihm steht ein Gebäude, das von vielen Heimlichkeiten unsponnen wird und im Volksmund “Spukpavillon” genannt wird; allgemein hört man wohl von der “Alten Oberförsterei Pichelsberge” reden.
 

Das Gebäude, eine große Halle mit schönem Kaminen, entbehrt jeden Prunks; es ist ein einfacher Bau, der sich der Landschaft anpaßt. An drei Seiten tragen Holzpfeiler ein vorspringendes Dach, so daß ein Umgang entsteht. – Kein Mensch kennt den Erbauer. Die Zeit der Entstehung liegt im Dunkeln; man weiß nur, daß es “uralt” sein soll. – Es ist gewiß älter als 100 Jahre. – Fest steht, daß es zur Zeit der Ablösung des Kgl. Preußichen Holzmonopols am Anfang des 19. Jahrhunderts in den Besitz des Direktors desselben, Baron Benecke v. Gröditzberg kam, der hier zeitweise gewohnt hat. Dann ist es Sommeraufenthalt von berühmten Berliner Schauspielern gewesen. – In späterer Zeit gehörte es der Forstverwaltung Pichelsberg, und wahrscheinlich hat hier der Oberförster gewohnt. Das daneben stehende Haus stammt aus der Zeit um 1800, war wohl Wohnung für die Bedienten und enthielt die Wirtschaft. Akten der Forstverwaltung, die ein späterer Besitzer vorfand und die vielleicht Aufschluß geben könnten, sind leider in Unkenntnis vernichtet worden. Heute ist das Zauberschloß im Privatbesitz.Von diesem alten Gebäude sind viele Geschichten im Umlauf. So wird von einem Streit zwischen französischen Offizieren und Offizieren von Potsdam, der sich hier oben zugetragen haben soll, erzählt. Die Preußen waren plötzlich verschwunden und trotz eifrigen Suchens konnten sie nicht gefunden werden. Durch eine geheime Tür waren sie auf den Boden gelangt und hielten sich dort verborgen. Die Franzosen verließen entsetzt das “Spukschloß”. – Alte Leute erzählen, daß französische Offiziere während der Besetzung ihre Namen in die Fensterscheiben geritzt hätten. – Andere erzählen, daß die Spandauer Juden eine Zeitlang ihre Gottesdienste hier abgehalten hätten. Der Name Judenberg mag damit in Zusammenhang stehen.

Sicher hat das einsam auf dem Berge und im Walde gelegene eigenartig erbaute Haus zu vielen abenteuerlichen Geschichten Anlaß gegeben. F. W. A. Schmidt, der spätere Pfarrer von Werneuchen, der hier des öfteren als Student geweilt, singt in seinem Lied “Die Pichelsberge bei Spandau” von “jenen Höh’n voll Geistergrau’n”:

“Wenn irgendwo ein scheuer Berggeist haust,
So muß er dort ein finsterer Wüste lauern –
Was ist’s, das sonst das Wipfellaub durchschaut,
Vernehmlich ächzt aus jener Klüfte Schauern?
Was packt uns sonst mit unsichtbarer Faust
In jenes Götzentempels öden Mauern?”

  • 1939 Spandauer Zeitung – Die Havel unser Heimatfluß:
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An der Nordostseite des Stößensees liegen die Pichelsberge mit dem Spukpavillon, den ein märkischer Dichter, der Pfarrer Schmidt von Werneuchen, der oft auf dem Berge, den “Höhen voll Geistergrauen” weilte, in den Mittelpunkt eines Liedes stellte:

“Wenn irgendwo ein scheuer Berggeist haust,
So muß er dort ein finsterer Wüste lauern –
Was ist’s, das sonst das Wipfellaub durchschaut,
Vernehmlich ächzt aus jener Klüfte Schauern?
Was packt uns sonst mit unsichtbarer Faust
In jenes Götzentempels öden Mauern?

Was es für eine Bewandtnis mit dem Spuk hatte? – Zur Spandauer Franzosenzeit war es in der Nähe des Pavillons zu einem Zusammenstoß zwischen französischen und preußischen Offizieren gekommen. Die Lage wurde für die Preußen gefährlich, sie waren aber dann plötzlich von der Bildfläche verschwunden. Der Förster aus der nahen Försterei hatte sie in dem unwegsamen Gelände in den Pavillon und von dort durch eine verborgende Falltür in den Dachboden gerettet. Die französischen Offiziere aber glaubten an einen Spuk.”
Und weiter zum Spukpavillon:
“Der Ursprung des Pavillons ist ebenso geheimnisvoll wie sein Ruf. Man sagt, daß er von Friedrich Wilhelm II. errichtet wurde, als er als Prinz hier Schäferstunden mit der Gräfin Lichtenau abhielt……..Auf dem Berg soll später Friedrich Wilhelm III. mit der Königin Luise und ihren Kindern Rast gehalten haben, weshalb der Berg auch ”Prinzenberg” genannt wurde.

  • 1956 Papenheim – Das Belvédère auf dem Pichelsberg

1956 Papenheim Das Belvedere auf dem Pichelsberg - Bild