Stößensee

1883 ! „Auf Pichelsberge nach dem Werder“. Die vermutlich älteste Fotografie vom Stößensee. Aufnahmestandort sind die Pichelsberge und ganz genau vermutlich die Stelle, an der sich heute die Stößenseebrücke befindet. Das Aufnahmejahr „1883“ ist auf der Aufnahme eingeprägt und auch authentisch, da der Berliner Fotograf Friedrich Albert Schwartz von 1882 – 1887 seinen Firmensitz in der Louisenstraße 23 hatte.

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Die schönste Aussicht auf den heute geteilten Stößensee bietet sich von der Stößenseebrücke aus. Ansonsten ist der See für Naturliebhaber leider kaum zugänglich, da seine Ufer von Wassersportlern genutzt werden. Sein nördliches Becken bietet keinen freien Zugang. Am südlichen Becken gibt es freie Zugänge erst in den Bereichen zur Breite See hin, bei der Alten Liebe und an der süd-westlichen Badestelle auf Pichelswerder an der Rettungsstadion. In vergangenen Zeiten war der Stößensee ein

Holzhandelszentrum:

1883

Bau einer Pontonbrücke („Sechserbrücke“) zwischen dem Rupenhorn und dem Pichelswerder. Der Abriß der Brücke erfolge ca. 1924-27.

1903

Spandauer Zeitung (22.03.)

Walter Leistikow, "Am Seeufer": So kann man sich damals wohl den Stößensee vorstellen. Auf der Anhöhe fehlt "eigentlich" nur der "Spukpavillon".

Walter Leistikow, „Am Seeufer“:
„Exakt so“ stelle ich mir das damalige Ufer des Stößensees vor. Auf der Anhöhe („Pichelsberge“) fehlt „eigentlich“ nur der „Spukpavillon

Schon aus den Tagen des Großen Kurfürsten her bestand in Brandenburg-Preußen ein außerordentlich blühender Holzhandel, der die Produkte der märkischen Wälder auf Havel und Elbe nach Hamburg verfrachtete. Der Pichelswerder war der Mittelpunkt dieses Holzhandels. Der ganze Stößensee, der nach alten Karten damals als Schlessonwasser bezeichnet wurde, war zeitweilig ganz bis auf den Grund mit riesigen Eichen-, Kiefern- und Buchenstämmen angefüllt.

Auf dem Pichelswerder am Rande des Stößensees wohnten einige Holzknechte, welche die Baumriesen verarbeiteten und zu ungeheuren Flößen zu verbinden hatten. Der Führer des Floßes führte den Titel „Regiemeister“.

In Hamburg waren ständig große preußische Holzmärkte. Abnehmer waren Franzosen, Engländer und Holländer. Auf Pichelswerder waren große Schmieden, die die Eisenklammern und zwölfzöllige Eisennägel schmiedeten. In den 20er Jahren des 19.Jahrhunderts wurde die königlich-preußische Holzhandlung aufgelöst. Der letzte Rest wurde von Herrn Grönitz-Benickendorf angekauft. Die ehemaligen Holzfäller erhielten die Erlaubnis Kaffee und Milch auszuschenken. So entstanden die Kaffeehäuser am Stößensee.

1992

Henning von Bernewitz hat dies in seinen Kulturkarten wie folgt illustrierend kommentiert:

König Friedrich II. verkauft zur Finanzierung seiner Kriege die Eichen des Grunewaldes als Schiffsholz an die Engländer – die damit ein Weltreich erobern.

1992 Bernewitz - Englaender verschiffen Grunewald-Eichen 1992 Bernewitz - Englaender verschiffen Grunewaldeichen-Weltreich

Eigentlich „zerstört“ wurde der See durch den Bau der Döberitzer Heerstraße. Damit verlor das Gebiet um den Pichelswerder auch seinen besonderen Reiz als Hauptausflugsgebiet. Nicht sofort, aber nach und nach.

Ein See wird geteilt:

1908 Aufschüttung eines Dammes und Bau der Stößenseebücke
1927 Wolter, Sommer, Klotz, „Spaziergänge im Grunewald“, Seiten 134-137

Spoiler
„Ursprünglich bestand zwischen den Pichelsbergen und dem Pichelswerder, der im Laufe der Zeit zur Halbinsel verlandet ist, keine Verbindung.

1813 bauten die preußischen Truppen bei der Belagerung der Feste Spandau Schiffsbrücken von Pichelsdorf nach dem Werder und von hier nach den Pichelsbergen. Die meisten von uns werden sich noch der vom Rupenhorn nach dem Werder führenden “Sechserbrücke” entsinnen, die von dem Besitzer der Wirtschaft Rackwitz unterhalten wurde. Mit dem Bau der Döberitzer Heerstraße, die den mit der Zeit fortschreitenden Verkehrsverhältnissen nach dem Westen Rechnung tragen sollte, wurde ein bequemer Übergang geschaffen. Die Vorarbeiten dazu reichen in die Jahre 1907/08 zurück. Die Festlegung des Heerstraßenzuges über den Stößensee stieß auf große Schwierigkeiten. Es wurden viele Baupläne erwogen, denn man wollte doch das Projekt zur Ausführung bringen, das möglichst geringe Schwierigkeiten und Kosten verursachte.

WikimediaMöglichkeit 1Möglichkeit 2Möglichkeit 3Möglichkeit 4

Aus diesem Grunde sollte anfänglich die Straße nördlich um den Stößensee geführt werden. Da stellten sich aber verschiedene Schwierigkeiten ein. Einmal wäre die Befestigung und Fundamentierung des Straßendamms in dem weiten Faulschlammgebiet sehr kostspielig geworden, und zum andern mußten die angrenzenden Grundstücke, die im Straßenzuge lagen und Bauland waren, teuer erworben werden. An den hohen Kosten scheiterte das Projekt.

Man griff darum zum ursprünglichen Plan zurück, den Pichelswerder als Brückenpfeiler zu verwenden, den See zu überbrücken und so die Straße quer über den See zu führen. Nach diesem Plan sollte der Straßenzug etwas südlicher über den See führen, als es heut der Fall ist. Wilhelm II. ordnete nach einer Besichtigung an, den Straßenzug etwas nach Norden zu verlegen, um das malerische Ufer des Stößensees nicht zu verletzen.

Um eine Brücke von so großen Ausmaßen herzustellen, mußte natürlich der Baugrund des Stößensees ganz genau abgebohrt und untersucht werden. Da stellte man dann fest, daß bei einem 3-4 m tiefen Wasserstande der Grund aus Faulschlammschichten bis zu 15 m Mächtigkeit bestand. Welche Schwierigkeiten sich also auch an dieser Stelle durch die schlüpfrigen, weichen Schichten dem Bau entgegenstellten, ist leicht zu erkennen.

Man wollte anfänglich, um die Brücke auf festen Untergrund zu stellen, den Schlamm ausbaggern. Nach Kostenanschlägen hätte die Ausführung dieser Arbeiten und die Errichtung des Oberbaus auf Brückenpfeilern auf versetzten Senkkästen etwa 10 Millionen Mark gekostet. Auch diese Bauausführung scheiterte an den großen Kosten. Nun entschloß man sich, durch den See einen Damm aus Sand und Kies zu schütten und nur ein schmales Uferstück des Sees am Ostufer zu überbrücken. Man ging dabei von der richtigen Annahme aus, daß die gestürzten Bodenmassen bei einem bestimmten Gewicht die Faulschlammschichten zur Seite drücken und sich dadurch von selbst eine feste Unterlage schaffen würden.

Nun begann am Stößsensee und in der Teufelsschlucht ein reges Leben und Treiben. – Feldbahnzüge rollten beladen von der Schlucht zum See, der die Sandmassen aufnahm und verschlang, die der Bagger von der Südwand der Teufelsschlucht abfraßen. – Am Ostufer des Sees begannen die Schüttungen. Im Laufe der Zeit wuchs der Damm immer weiter in den See hinein. – Interessant war es, das Absinken des Damms zu beobachten. Hatte er durch bedingte Ausmaße ein bestimmtes Gewicht und einen bestimmten Druck erreicht, dann sanken die Riesenmassen in die Tiefe, drückten die Faulschlammschichten zu beiden Seiten weg und hoben sie in die Höhe. Infolge ihrer Mächtigkeit kamen sie bald an die Wasseroberfläche und bildeten schlüpfrige, unbetretbare Inseln. – Die Seebecken zu beiden Seiten des Damms, besonders am Ostufer des Werders, waren bald mit Schlamm ausgefüllt.
Der Damm schuf sich so durch sein eigenes Gewicht das feste Fundament und wuchs in die Höhe. Über 1 Millionen cbm Boden sind aufgeschüttet worden.

Die Faulschlammassen, die den See erfüllten, mußten natürlich beseitigt werden. Durch Baggerbetrieb wurden sie gehoben, verladen und in der Teufelsschlucht, aus der man den Sand holte, abgetürzt. Diese Arbeiten waren recht umständlich und zeitraubend Später kam man dazu, den Schlamm mit Wasser zu einem fließenden Brei zu verrühren und durch Schlauchleitungen in das nördliche verlandete Gebiet des Sees zwischen dem Werder und der östlichen Uferstraße zu drücken. Es entstanden Schlammaufhöhungen, die hochwasserfrei sind. Heute ist dieses Gelände mit einer Laubenkolonie und Botshäusern besiedelt.

Kaum ahnt der Spaziergänger auf hohem Damme, daß das Gelände des Nordufers des Sees mit seinen Lauben und üppigen Gärten und den bunten Bootshäusern aus dem Boden besteht, der einst der Untergrund des Dammes war. Bei dem Ausbaggern und Auspumpen des Schlammes kamen mancherlei kultur- und naturgeschichtliche Reste der Vorzeit zum Vorschein: Knochen von Elen, Hirsch, Renntier, vorgeschichtliche Topfreste, Kanonenkugeln und manches andere.

Der östliche Teil des Dammes mußte später wieder weggebaggert werden, um durch eine Flutrinne eine Verbindung zwischen den beiden neu entstandenen Seebecken herzustellen. Über diesem Verbindungsarm wurde von der Firma Holzmann die heutige Stößenseebrücke erbaut. Das interessante Bauwerk paßt sich in der Konstruktion und den Baustoffen in geschickter Weise der Umgebung an und ist ein Meisterwerk deutschen Ingenieurgeistes. Die Widerlager der Brücke ruhen auf mächtigen Granitsockeln, diese wiederum auf Pfahlrosten. Die eisernen Brückenpfeiler sind mittels halbkugelförmiger Gelenke so aufgelegt, daß sie sich bei Temperaturschwankungen heben und senken können. Der Oberbau und die flankierenden architektonisch schönen Treppentore bestehen aus Pyroxengranitporphyr von Beucha aus Leipzig……Beachtenswert sind auch die in die Seitenwände des Oberbaus an den Treppenaufgängen eingelassenen prachtvollen großen Geschiebe.

Von der Brücke aus hat man einen schönen Blick auf Spandau mit seinem Schornsteinwald, der der Landschaft einen bestimmten Reiz gibt. Nach Süden zu sehen wir über den Stößensee hinweg die Halbinsel Schildhorn und die Steilufer des Stößensees an der Uferstraße. In der Straßenrichtung nach Pichelsdorf zu erscheint am Horizont der Wasserturm vom Lager Döberitz.

1936 führte der Olympische Marathon auch am Stößensee entlang:
Olympischer Marathon 1936„.
1937 Wären die Planungen für die Hochschulstadt verwirklicht worden, so hätte sich dessen Monumentalbauten wohl bis an das gesamte Ostufer des Stößensees ausgedehnt.
1939

Spandauer Zeitung – Die Havel unser Heimatfluß:

Spoiler
Einen wesentlichen Aufschwung erhielt das Spandauer Wassersport- und Ausflugsgebiet durch den Bau der Döberitzer Heerstraße, die in fast gerader Richtung vom Tiergarten durch den nördlichen Teil des Grunewaldes zur Havel und weiter zum Truppenübungsplatz Döberitz führt. Die Straße ist heute noch Berlins schönste Ausfallstraße. Allerdings verlor der Pichelswerder seinen Charakter als Havelinsel, denn an seiner Ostseite wurde zur Aufnahme der Stößenseebrücke, von der man einen großartigen Ausblick auf die Havellandschaft und Spandau hat, ein großer Damm aufgeschüttet. Zur Aufschüttung des Dammes war eine Million Kubikmeter Boden notwendig. Die Faulschlamm-Massen, die durch die Aufschüttungen den Stößensee erfüllten, wurden mit Wasser zu einem fließenden Brei verrührt und durch Schlauchleitungen in das nördlich verlandete Gebiet des Stößensees gedrückt. Heute ist dieses Gelände mit einer Wassersportkolonie besiedelt, wie überhaupt der ganze Stößensee dem Wassersport gehört. Durch den vom Führer angeordneten Neubau der Hochschulstadt, wird die Gegend zu beiden Seiten der Döberitzer Hererstraße in den nächsten Jahren ein völlig neues Gesicht erhalten.

1966 stürzte ein sowjetisches Jagdflugzeug in den Stößensee. Auf der Stößenseebrücke erinnert heute eine Gedenktafel an den Absturz. Ich weiß nicht, wie es bei diesem Flug war, aber grundsätzlich flogen diese Maschinen in geringer Höhe und absichtlich einen Überschallknall verursachend über West-Berlin hinweg. Ziel war es, die West-Berliner zu erschrecken und Angst zu verbreiten. Meine Mutter hat mir erzählt, dass bei uns draußen in Staaken dabei einmal beinahe eine große Wohnzimmerscheibe zerbrochen wäre, wobei sie sich durch den völlig unvermittelt auftretenden Überschallknall natürlich mächtig erschrocken hatte.
1993 Im Sommer 1993 fanden Kinder im Stößensee bei Berlin 35mm-Filmrollen – teilweise fragmentarisches medizinisches Filmmaterial der Reichsstelle für den Unterrichtsfilm mit Aufnahmen von kranken und behinderten Menschen.

 

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