Herr Emil Beringer ist als Erbauer des Turmes anzusehen
„Der „Albrecht-der-Bär-Turm“: Ein katholisches Christianisierungs-Denkmal (in eigener Sache)“, so lautete die Überschrift eines mehrseitigen Aufsatzes, welchen ich in Bearbeitung hatte. Bis, ja bis ich mich soeben mit dem Wappen am Turm beschäftigt habe, siehe rechts.
Es handelt sich hierbei um das Wappen des früheren mythologischen Uradelsgeschlechts der Beringer in Anhalt (siehe Feld 4 im Anhalter Wappen). Es ist damit dem Adelsgeschlecht der Askanier zuzuordnen. Albrecht der Bär, welcher der Sage nach 1157 den letzten Wendenfürsten Jaczo in einer Schlacht am Westufer der Havel vernichtend geschlagen hatte, war der erste Askanische Markgraf von Brandenburg. Mit seinem Sieg wurde die Mark Brandenburg christlich.
Das Grundstück Gatower Straße 199, auf welchem sich der Turm befindet, gehörte ab 1901/1902 Herrn Kommerzienrat Emil Beringer. Er war ein Sohn von Herrn Christian August Beringer, Inhaber einer chemischen Fabrik in Charlottenburg und verstarb am 13. Januar 1920. Er ist im Familiengrab auf dem evangelischen Luisenfriedfhof II in Westend beerdigt. Laut der Edition Luisenstadt war er “von 1876 bis 1903 unbesoldeter Stadtrat. Das Grundstück an der Havel hatte Herr Beringer mit dem Ziel erworben, nach dorthin seine chemische Fabrik zu verlegen, was sich dann aber zerschlagen hat.
Es ist naheliegend anzunehmen, dass sich Herr Beringer als in verwandtschaftlicher Beziehung zu „Albrecht den Bären“ stehend verstanden hat, bzw. sich zumindestens der mythologischen Abstammung seines Nachnamens Beringer bewusst war. Und so hat er sich und seiner Familie (also seinem „Geschlecht“) mit diesem Turm ein eigenes Denkmal gesetzt, vielleicht ernst, aber vielleicht auch einfach nur „spielerisch„.
Der Turm stellt in diesem Sinne auch kein „Jaczo-Denkmal“ dar. Die Tafel an seiner Seite mit der Inschrift:
Has per fauces, Jaczo, princeps Slavorum, / ab Alberto Urso pulsus, ad habelam evasit. / Anno Domini MCLVII.
(Durch diese Schlucht wurde Jaczo der Slawenfürst im Jahre des Herrn 1157 von Albrecht dem Bären verfolgt und in die Havel getrieben.)
ehrt nicht Jaczo, sondern Albrecht den Bären. Auch nimmt die Inschrift nicht Bezug auf die Schildhornsage. Jaczo wurde an dieser Stelle in die Havel getrieben und damit endet die Darstellung am Turm. Sein heutiger Name „Jaczoturm“ ist daher falsch und resultiert aus einer Fehlinterpretation bzw. der Unkenntnis über seine(n) Erbauer. Richtig wären die Namen: „Albrecht-der-Bär-Turm„, „Askanierturm“ oder „Beringerturm„.
Der Turm besteht zu einem großen Teil aus überformatigen, roten Ziegelsteinen, wie sie ab 1900 im historisierenden „märkischen“ Kirchenbau verwendet wurden. So befindet sich ein Ziegel mit der Stempelung „51/A1“ rechts an seinem Eingang. Vergleichbare Ziegelsteine mit ähnlichen Stempeln habe ich an der Katholischen St. Marien-Kirche in Spandau (erbaut 1909/10 mit der damaligen Anschrift: Askanierring 11-12, heute Flankenschanze 43) und an der Katholischen St. Marien-Kirche in Friedenau (erbaut 1913/14) gefunden. Die Ziegel der St. Marien-Kirche in Spandau stammen von den “Rathenower Verblendwerke C. G. Matthes & Sohn”. Bei der Stempelung handelt es sich um nichts anderes als Katalognummern.
Meines Wissens sind leider keine Kataloge der Ziegelei Matthes überliefert, so dass die Einschätzung, von wann bis wann der Ziegel mit dem Katalog-Stempel „51/A1“ zum Verkauf angeboten wurde, zunächst nur anhand der beiden Kirchen geschätzt werden kann. Demnach liegt das Baujahr des Turmes in der Zeit von 1909 bis 1914.
Unklar ist, weshalb der Turm aus Ziegeln errichtet wurde, welche wegen ihres Überformates eher für Gebäude in einem monumentalen Stil, wie Kirchen oder Museen verwendet wurden, zumal die Ziegel am diesem kleinen Turm keinen derartigen Wert haben, außer vielleicht, dass der Turm durch das historisierende Maß auch älter wirken soll.
Es wäre daher interessant die Frage zu klären, wie Herr Beringer ausgerechnet an diese Ziegel geraten ist? Wurden sie einfach nach Katalog bestellt? Oder handelt es sich um Überschuss-Ziegel vom Bau der St. Marien-Kirche in Spandau oder in Friedenau? Wie gelangten sie dann aber auf das Grundstück? Gab es damals einen Kontakt zwischen Herrn Beringer und der katholischen Kirche in Berlin? Sollte dies der Fall sein, so würde ich es für möglich halten, dass der Turm nicht nur nach eigener Intention, sondern unter Mitwirkung von Mitgliedern der Katholischen Gemeinde errichtet wurde. Vielleicht sogar erst auf deren Vorschlag hin. Es würde dahingehend Sinn machen, weil die Geschichte der katholischen Pfarrgemeinde zu Spandau eben in jenem Jahr 1157 begann: Herr Franz Kohstall, Geschichte der katholischen Pfarrgemeinde Spandau, Einleitung: „…bis unter den Askaniern die Germanisierung und Christianisierung der Mark vollständig wurde. … und hier setzt meine Geschichte der katholischen Pfarrgemeinde Spandau ein, der Gemeinde zu S. Marien.“ und sich die katholische Kirche um 1900 in einer Diaspora befand, gegen welche sie sich zu wehren versuchte (umfangreich beschrieben 1993 von Herrn Prof. Dr. Dr. Andreas Tacke, Kirchen für die Diaspora, Christoph Hehls Berliner Bauten und Hochschultätigkeit 1894-1911). Viele Aspekte fallen hier passend zusammen. Einen derartigen Kontakt zwischen Herrn Beringer und (einzelnen) namhaften Mitgliedern der katholischen Kirche kann ich aber nicht belegen.
Momentan bewerte ich den Turm einfach als eine Art „Familiendenkmal“. Möglicherweise auch wirklich einfach nur (mit) zum Spielen für die Enkelkinder gedacht und zusammen mit den anderen (späteren) Gartenanlagen Wasserfall, Teich und Brunnen ein Garten-Ensemble darstellend. Mit dem Jaczo-Denkmal auf Schildhorn hat er nichts zu tun. Das Jaczo-Denkmal auf Schildhorn befindet sich auch nicht gegenüber der Schlucht, in welcher such der Turm befindet. Das Schildhorn-Denkmal befindet sich, in Übereinstimmung mit der 1823 von Herrn Valentin Heinrich Schmidt mit konkreten Handlungsorten begründeten Sage, gegenüber der Landzunge „Sack„, dorthin zeigen das Schild und das (evangelische) Kreuz. Sollte sich jedoch ein Kontakt zwischen der Familie Beringer und Mitgliedern der katholischen Kirche belegen lassen, so kann der Turm zusätzlich wohl auch als katholisches Gegendenkmal zur Schildhornsäule verstanden werden. Nicht auszuschließen wäre dann sogar, dass an seiner Errichtung Herr Prof. Christoph Hehl beteiligt war. Denn ich gehe davon aus, dass dem Turm als Bauwerk eine Planung zugrunde gelegen hat.
Da am Turm das Familienwappen der Beringer angebracht ist, dürfte es auszuschließen sein, dass der Turm vor 1901 von einem der Vorbesitzer des Grundstücks erbaut wurde. Denn nicht nur das Familienwappen, sondern auch das Alter des Ziegelsteins mit dem Stempel „51/A1“ schließen dies doppelt aus.
Herr Emil Beringer ist daher als Erbauer des Turmes anzusehen.
Damit sollten nunmehr jahrzehntelange Spekulationen ein Ende nehmen, wer der Erbauer des Turmes war und wann er erbaut wurde. Die erste derartige Spekulation geht nach meinem bisherigen Wissenstand auf einen Zeitungsartikel vom 30. Mai 1954 zurück. Die weiteren Einschätzungen sind in den Seiten unten dokumentiert. Den älteren Einschätzungen liegt leider das Problem zugrunde, dass sie nicht in der Lage waren, den Standort des Turmes mit den wirklichen Grundstückseigentümern in Einklang zu bringen. „Stadtentwässerung“ war immer eine falsche Feststellung, und so bot sich Raum für Gerüchte. Dies änderte sich erst 2011 mit den Forschungssergebnissen von Frau Gabriele Birkenmayer und dem Projektteam der Paul-Moor-Schule, deren Ergebnisse dann auch in diesem Jahr vom mir eigenständig nachvollzogen wurden.
Was bleibt noch zu tun?
- Eine Beteiligung katholischer Mitglieder könnte bereits jetzt anhand schlüssiger Indizien und einer positiven Motivlage vermutet werden, ist aber nicht wirklich beweisbar und so möchte ich dies nur als Merkpunkt für die weitere Erforschung des Turmes und der Historie der Familie Beringer (Hissink) und der katholischen Kirchengeschichte in Spandau und Berlin im Raum stehen lassen. Diesen Punkt zu postulieren wäre falsch, ihn zu verschweigen wäre aber nicht richtig.
- Darüber hinaus erscheint es mir wichtig weitere Information über Gebäude zusammenzutragen, welche mit Ziegelsteinen der Ziegelei Matthes aus Rathenow errichtet wurden. Ziel ist es den Zeitraum einzugrenzen, von wann bis wann die Ziegelkatalognummern nach dem Muster 51/A1 verwendet wurden um abzuklären, ob für den Turm auch eine Erbauung vor 1909 oder nach 1914 in Frage kommt, bzw. ob eine Hinbewegung zur den katholischen Kirchenbauten sinnvoll erscheint oder nicht. Optimal wäre natürlich, wenn zum zweifelsfreien Abgleich die Ziegelstein-Angebotskataloge der ehemaligen Rathenower Ziegelei Matthes gefunden werden würden.
- Die Frage ist noch, ob sich im Nachlass von Frau Karin Hahn-Hissink, der Enkelin von Herrn Emil Beringer, Fotos vom Turm und vom Grundstück befinden. Von Interesse wäre auch der Kaufvertrag, mit welchem Herr Beringer das Grundstück erworben hat. Der Nachlass befindet sich im Frobenius-Institut in Frankfurt/Main und ist diesbezüglich noch nicht vollständig gesichtet.
Abschließend ist noch anzumerken, dass es schon eine interessante Geschichte zur Spandauer Heimatkunde ist, dass ein (wenn auch nur imaginärer) Verwandter von Albrecht dem Bären ausgerechnet ein Grundstück in diesem Gebiet erworben hat, welches von Herrn Kohstall 1922/24 wie folgt beschrieben wurde:
„Als … Albrecht der Bär im Jahre 1157 auf den Bergen zwischen Weinmeisterhorn und Gatow die letzte Stütze des Heidentums in hiesiger Gegend, den Jaczo von Köpenick, besiegt hatte.“ und die ältere Inschrift am Turm dann auch noch zufällig ergänzt: “…und dann in die Havel trieb”.
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Ziegelstempelvergleiche:
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Vorgeschichte und Weiterführend:
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Uwe Gerber, 25. Juli 2014
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