Ballonplatz

Ballonplatz? – „Nichts Genaues weiß man nicht.“

Durch Zufall fiel mir Anfang 2006 der Ausschnitt einer Forstbetriebskarte in die Hände und dort war im Grunewald auf einem Teil des Jagen 68 (am verlängerten „Fischerhüttenweg) ein „Ballonplatz“ ausgewiesen. Obwohl ich über etliche Grunewald-Landkarten verfüge, ist auf keiner einzigen der Name „Ballonplatz“ eingetragen. Das machte natürlich neugierig und wir wollten so bald wie möglich einen Trainingslauf dorthin machen. Bedingt durch den langen Winter vergingen leider 6 Wochen, ehe wir uns am 09.04.2006 endlich auf den Weg machen konnten.

Dann hatten wir aber Glück. Wie es der Zufall so will, trafen wir genau dort – mitten im Wald – einen freundlichen Herrn mit Hund, der uns sagen konnte, dass dieser Ort der Ballonplatz ist, und dass man dort in den zwanziger Jahren Heißluftballone hat aufsteigen lassen. Von wem und zu welchem Zweck, wusste der freundliche Herr leider auch nicht. Ansonsten konnte er  uns aber noch sagen, dass der Ballonplatz von den Reitern zum Hindernisreiten genutzt wird.

Die Situation hatte übrigens etwas Kurioses an sich. Ich musste an ein sehr altes Computerspiel denken, wo man von Ort zu Ort läuft, unterwegs Hindernissen ausweichen und Aufgaben lösen muss, und man dann an Zwischenzielen einen alten weisen Mann trifft, der einem in rätselhaften Worten neue Aufgaben mit auf den Weg gibt.  Tja, manchmal hat man eben komische Assoziationen.

In der Bildergalerie ist auch eine Ansichtskarte aus dem Jahr 1902 vom Schlachtensee mit einem eingezeichneten Ballon. Ich hatte gehofft, im Textteil vielleicht einen Hinweis zu finden, war aber leider nicht der Fall. Aber es hätte ja sein können, das dort jemand spazierengegangen ist und auf einmal kam, wie es der Zufall so will, ein Ballon angeflogen, was er dann auf einer Ansichtskarte illustriert hat. Schade, die Karte wäre dann ein hübsches, zufälliges Zeitdokument gewesen.

Was es mit den Namen Ballonplatz nun ganz genau auf sich hat, habe ich bisher nicht herausgefunden. Wer etwas weiß…. bitte melden.

Hier mein bisheriger Wissensstand:

*Einige interessantes Fotos aus dem Jahr 1983 vom Ballonplatz hat Herr von Bronewski auf seiner Webseite www.berlin-brigade.de veröffentlicht:

  • http://www.berlin-brigade.de/berlin/ber125a.jpg
  • http://www.berlin-brigade.de/berlin/ber422.jpg
  • http://www.berlin-brigade.de/berlin/ber423.jpg*

*Gestrichen, da diese Inhalte 2020 wohl nicht mehr im Netz sind. Leider habe ich mir von diesen drei Bildern keine Privatkopie angelegt und ich weiß auch nicht mehr, was auf ihnen zu sehen ist bzw. war.

Aber 2022 habe ich die (seit 2007 bestehende?) Webseite „BERLIN-BRIGADE / MAPS“ gefunden. Unter „Shooting Ranges“ findet sich dort eine Plankarte, wonach es sich bei Teilen der Jagen 68 und 96 um ein

  • „TRAINING AREA ENG 76“,

also um ein militärisches Übungsgelände der West-Berliner Schutzmächte, gehandelt hat. Die beiden Jagen lagen zwar in der amerikanischen Schutzzone, aber „ENG“ könnte vielleicht bedeuten, dass die Engländer bzw. Briten das Gelände dort genutzt haben?

Was diese Nutzung für die dortigen Kleinstlebewesen im Boden bedeutete, ergab 1992 folgende wissenschaftliche Untersuchung (und hierbei muss ich an die heutzutage auch im Grunewald im Einsatz befindlichen Holzerntemaschinen denken):

  • 1992 Verhandlungen der Gesellschaft für Ökologie, Band 21 –
    Struktur von Enchytraeengemeinschaften (Oligochaeta: Enchytraeidae)
    verschiedener Forsten und Grünflächen in Berlin, Seite 150:

Die Siedlungsdichten sind in den Forsten mit durchschnittlich 71.000 lnd./m² sehr viel höher als auf den Freiflächen (17.700 lnd./m²). Die höchste Dichte mit 142.700 Ind./m² wird in einem Forstsaum entlang der Autobahn Avus erreicht: Dort liegt nicht wie in den anderen Forsten rohhumusartiger Moder auf Rostbraunerde vor sondern mullartiger Moder (pH-Wert um 4,0). Die dominierenden Baumarten sind Laubgehölze (Ahorn, Robinie, Eichen, Hainbuchen). Beide Parameter scheinen die Enchytraeen in besonderer Weise zu fördern. Die niedrigste Dichte mit nur 30.000 lnd./m² wurde in einem Kiefern-Eichen-Birkenforst im Grunewald Jagen 68 (J. 68) festgestellt, ein Forst, der als militärisches Übungsgelände genutzt wird. Dort ist der Boden verdichtet und die Oberflächenstruktur des Bodens stark gestört. Diese Parameter wirken sich offensichtlich negativ aus. Die von Kiefern beherrschten Bestände (PQ, PK, PD, SP und DK) haben Enchytraeendichten von 42.100 – 98.100 lnd./m².

Bodenverdichtung ist also abträglich.

Dies erklärt aber nicht den Namen „Ballonplatz“. Auf der Webseite der Berliner Forsten habe ich im Rahmen einer Wanderwegstreckenbeschreibung im Jahr 2020 noch folgenden Hinweis gefunden:

…Jagen 68. Schon befindet man sich am nächsten besonderen Ort im Grunewald. Kaum noch wahrnehmbar als Freifläche, steht man einem schon fast vergessenen Platz gegenüber- der Ballonplatz. Auffällig ist, dass auf diesem Areal deutlich jüngere Bäume wachsen, als auf den darum liegenden Flächen. Dieser schon fast vergessene Ort wurde in längst vergangenen Zeiten als Startplatz für Heißluftballons genutzt. Seit vielen Jahrzehnten holt sich jetzt die Natur dieses Gebiet zurück und steht heute als Hindernisparcours für Reiter zur Verfügung.

Mittlerweile verfüge ich seit Anlage dieser Unterseite auch über noch mehr Kartenmaterial, aber in keiner dieser Karten findet sich ein Hinweis auf einen „Ballonplatz“. Auch einem Luftbildfoto aus dem Jahr 1928 ist nichts zu entnehmen, bzw. der „Ballonplatz“ war dort schlichtweg bewaldet. Von daher habe ich die Vermutung, dass von hier aus keine Ballone gestartet wurden, jedenfalls nicht in einem nennenswerten Umfang. Zumal es ja auch keinen Sinn macht, Ballone ausgerechnet mitten in einem Waldgebiet aufsteigen zu lassen.

Bis auf eine Sache: An einer Stelle des Ballonplatzes finden sich alte Mauerreste, bestehend u.a. aus roten Industrieziegelsteinen. Ob dies etwas mit einem „Ballon(start)platz“, dem dort befindlichen Reiterplatz oder dem militärischem Übungsgelände zu tun hat, ist mir nicht bekannt. Ein Luftbild aus dem Jahr 1953 weist eine Freifläche und dort drei oder vier Bombenkrater aus (wie sie – auch heute noch – oft im Grunewald zu finden sind), außerdem scheinbar an der einen Ecke, wo sich die Mauerreste befinden, einen kleinen Rundweg, vielleicht sogar eine „Wendeschleife“ für Fahrzeuge? Die Frage ist also, was dort zwischen 1928 bis 1953 geschah? Haben diese Veränderungen die Schutzmächte nach 1945 vorgenommen oder aber die Wehrmacht oder andere Organisationen im III. Reich zwischen 1929/33 bis 1945? Eine Möglichkeit wären vielleicht noch (Tests) mit Sperr- oder Beobachtungsballons. Aber das ist pure Spekulation. Zwar wurden in der Wehrmacht ab 1939 auch Luftsperrabteilungen mit Ballonzug-Einheiten (mit Ballontrupp, Windentrupp, Gastrupp) eingesetzt. Aber in der Zeitschrift „Waffen-Arsenal 1996/Band 161: Sperrballone über London, Moskau und Berlin„und im Internet habe ich keinen Hinweis zu einem diesbezüglichen (vorübergehenden) Standort im Grunewald gefunden.

Ein Leser, welcher sich mit Luftfahrt beschäftigt, hat mir in Bezug auf die am Anfang genannten „Heißluftballone“ 2022 folgendes mitgeteilt:

Was den Ballonplatz angeht kommt mir nur wenig in den Sinn, so das Gordon-Bennet Rennen in Schmargendorf im Oktober 1908, ob das mit dem Ballonplatz zusammen hängt?? Es gibt aber ein kleines Missverständnis bei den Menschen in punkto Ballone. Man verwendet seit Ende des 18.Jahrhunderts keine Heißluft für die Ballone, man verwendete Gas. So wie heute die Ballone mittels eines Brenners gefüllt werden, so war das damals nicht. Man brauchte damals Gas, was oft in einem Gasometer am Platz gelagert wurde. Ob die Reste von Bauten die Sie gesehen damit zusammen hängen? Ich habe Ihnen mal eine alte Karte angehängt. Es ist allerdings möglich das man auf Ihrem Platz nur wenige Ballone, oder nur einmal einen Ballon gestartet hat und dann den Ort dann nicht mehr  verwendet hat. So gab es auch vorübergehend auch mal einen Flugplatz Teltow. Ich bleibe da aber auf jeden Fall am Ball. Ansonsten wurden Ballone in den zwanziger und dreißiger Jahren hauptsächlich von Tempelhof aus gestartet.

So bleibt also die Herkunft der Bezeichnung „Ballonplatz“ weiterhin unbekannt.

Jagen 68 ist heute Teil einer Referenzfläche, wonach 10 % des Berliner Waldes seiner natürlichen Entwicklung überlassen bleibt.

Für die Reitsportler hatte der Platz in einem Schreiben vom 13.03.2017 an den Berliner Senat folgende Bedeutung:

[…]der sog. „Ballonplatz“ mit Natursprüngen im Grunewald wichtiger Teil der Geländeausbildung von Reiter und Pferd[…]