Zecherrelief – 2
Über die Erbauer / Ist eine der Personen auf dem Zecherrelief Joachim II.?
Ein Klärungsversuch anhand von Porträtvergleichen
- Teil 1 – Beschreibungen im Spiegel der Zeit – lesen
- Teil 2 – Ist die linke Person Joachim II.?
- Teil 3 – Über das Aussehen von Joachim II. / Alternativvergleich Joachim II. mit der mittleren Person – lesen
Bei Überlegungen, welche Personen auf einer Abbildung enthalten sind, macht es Sinn, diese Abbildung mit anderen Abbildungen zu vergleichen.
Leider ist es so, dass sich Porträts von Personen aus früheren Zeiten oft voneinander unterscheiden, aber dennoch ist natürlich der Vergleich von Gesichts-Bildnissen eine wichtige Vergleichsmöglichkeit, wobei die Schwierigkeit besteht, dass bei vielen Abbildungen nicht ohne weiteres klar ist, wann diese erschaffen wurden. Am sinnvollsten ist es natürlich, Porträts zu vergleichen, welche noch zu Lebzeiten von der jeweiligen Person erschaffen wurden und wo diese Person am besten dann auch noch als „Modell“ zur Verfügung gestanden hat.
So ist zum Beispiel bei Wikipedia eine Radierung „Joachim II. nimmt das heilige Abendmahl in beiderlei Gestalt“ (Bezugnahme: 1539 in der Spandauer Nikolaikirche) veröffentlicht. Die dortige Abbildung von Joachim II. weist eine sehr große Ähnlichkeit mit der linken Person auf dem Zecherrelief auf. Das Problem ist nur, dass die Radierung erst 1783 erschaffen wurde, als Joachim II. schon seit über 200 Jahren verstorben war. Woher nahm also der Künstler Bernhard Rode die Vorlage für sein Gesichtsbildnis von Joachim II.?
Auf Münzen gibt es mehrere Abbildungen von Joachim II. aus der Zeit, um welcher wohl auch das Zecherrelief hergestellt wurde. Bei einer Münze, dem Guldengroschen aus dem Jahr 1542 Stendal (Fundstelle), besteht, hierbei eine verblüffende Ähnlichkeit mit der linken Person auf dem Zecherrelief:
Joachim war 1542 ca. 37. Jahre alt. Weitere Münzen aus diesem Zeitraum: 1539, 1539 und 1541, 1541.
Ich habe den Verdacht, dass es sich bei der linken Person auf dem „Zecherrelief“ um Joachim II. handelt. Mit heutigen Funktionsbezeichnungen versehen könnte sich dann Folgendes ergeben: Bauherr Joachim II., Architekt Caspar Theiss und Bauleiter (Polier) Kunz Buntschuh.
Dabei ist es eigentlich gar nicht so wichtig, ob das Relief schon immer im Jagdschloss angebracht war bzw. für das Jagdschloss erschaffen wurde, oder aber für das Stadtschloss oder ein anderes Bauvorhaben aus der Zeit. Die entscheidende Frage lautet vielmehr, ob es zeitlich eingegrenzt werden kann. Das es aus der Zeit um 1542 stammt, scheint hierbei wohl allgemeine Ansicht zu sein. Auch, dass es wegen der hohen Qualität von Hans Schenk hergestellt wurde.
Leider sind von Caspar Theiss und von Kunz Buntschuh keine Abbildnisse überliefert. Von Caspar Theiss soll es zwar mal ein Abbild gegeben haben, so schreibt 1786 Friedrich Nicolai:
„1538. Kaspar Thieß oder Theiß. Sein Bildniß von Stein in halb erhabener Arbeit steht im Schlosse zu Grunewald neben dem Bildnisse Kurf. Joachims II.“ und ergänzt „Küster t. III. p. 5, giebt vor, es solle das Brustbild dieses Baumeisters aus Marmor im Berlinschen Schlosse vorhanden seyn. Es ist aber, jetzt, gewiß nicht mehr da.“ Herr Dr. Karl Seidel schreibt 1828 (siehe Seite 11) ebenso: „Kasper Thieß oder Theiß, welcher 1542 auch das Jagdschloss Grunewald eraut hat, woselbst man noch des Künstlers eigenes Bild in halb erhobener Arbeit erblickt.“
Wobei die Aussage von Dr. Seidel „woselbst man noch“ so klingt, als wenn sich dieses Abbild von Caspar Theiss 1828 noch im Jagdschloss befunden hat. Was geschah dann damit?
„Sofern also die beiden Persönlichkeiten Theiss und Buntschuh tatsächlich auf dem Zecherrelief abgebildet sind, wäre dies alleine schon eine Einzigartigkeit für sich.
Leider ist auch von Bildhauer Hans Schenk kein Abbild überliefert. Wikipedia (Fundstelle 09.02.2013) gibt sein Geburtstag mit „um 1500 in Schneeberg„ und seinen Todestag „um 1566 in Berlin“ an. Der frühere Schloßbaumeister Herr Professor Martin Friedrich Rabe schrieb 1832 über Hans Scheutzlich: „Er kehrte jedoch in der Folge nach seiner Vaterstadt zurück, wo er starb und wo … „dessen wahrhafftes Bildniß in Sanct Marien-Kirchen von seiner Lehrschüler einem, künstlich gemacht, zu sehen ist.““. Als Fundstelle gibt er Christian Meltzern an. Dieser schrieb 1716:
„Schneebergis Künstler: Von solchen fürnehmen Künstlern, so allhier gebohren und theils gewohnet, beyderseits aber den Schneeberg geziertet, ist zu nenen Hannß Scheuzlich, welcher Joachimi II. Churfürstens zu Brandenburg, Steinmetz und Bildhauer in dem herrl. Bau des Schloßes zu Cölln bey Berlin gewesen.
Dessen wahrhafte Bildniß in St. Marien-Kirchen von seiner Lehr-Schüler einem künstlich gemacht zu sehen ist.„
Das Hans Schenk (später) von Berlin nach Schneeberg zurückgekehrt und dort dann verstorben ist, vermag ich daraus nicht herauszulesen. Leider fehlt eine Ortsangabe zur St. Marien-Kirche. Friedrich Nicolai schrieb 1786 (Abschrift Seiten 7 und 8): „vermuthlich zu Schneeberg„. In Schneeberg gibt es in der Nähe der St. Wolfgang Kirche (1/2) lediglich eine Straße „Am Marienplatz„. In Zwickau hingegen gibt es den Dom St. Marien (1/2/3), welcher nur rund 20 km von Schneeberger entfernt ist. Aber auch in Berlin gibt es eine St. Marien-Kirche (1/2). Ich habe am 08.02.2013 die beiden Kirchengemeinden in Zwickau und Berlin angeschrieben und angefragt, ob dort etwas von einem Bildniss, welches Hans Schenk darstellen könnte, bekannt ist.
In dem Bericht aus dem Jahr 1832 von Professor Rabe „Nachricht von einem im Königl. Schlosse zu Berlin, auf ursprünglicher Stelle, wieder aufgefundenen Bildwerk in Sandstein…“ finden sich aber noch weitere interessante Hinweise. Das Bildwerk, welches aus der Zeit des Schlossausbaus ab 1538 unter Joachim II. stammte, wurde am 03.03.1830 wiederentdeckt. Seinen Kunstwert bezeichnet er wie folgt: „Es ist in der That in Hinsicht auf Kunst der vorzüglichste Ueberrest jenes alten Schlosses,...“. Dann fragt er nach den Künstlern und kommt zu dem Ergbnis: „Mit der größten Wahrscheinlichkeit kann man jedoch den Bildhauer Hans Scheußlich für den vorzüglichsten Meister dieses Bildwerks halten.“ Auf dem Bildwerk ist unter anderem, auch Joachim II. abgebildet: „…von besonderem Interesse sind sechs runde Füllungen mit männlichen und weiblichen Köpfen in Profil, wovon sich…zwei größere in den dreieckigen Feldern zu beiden Seiten des Bogens befinden. Diese zwei letztern sind von vorzüglicher Arbeit und stellen, in natürlicher Größe, den Erbauer des Schlosses, den Churfürsten Joachim II. und dessen zweite Gemalin, die Churfürstin Hedwig, eine Tochter des Königs Sigismund von Polen dar.“ Dann gibt Professor Rabe noch einen hochinteresanten Hinweis (Abschrift Seite 8 gelb markiert):
„Der Kopf des Churfürsten ist vollkommen denen auf den Münzen dieses Fürsten gleich,..„
Bedauerlicherweise gibt er nicht an, auf welche Münzen es sich bezieht. Auch auf jene von 1542, wie ich es oben tue? Oder auf die anderen vier Münzen aus den Jahren von 1539 und 1541, oder gibt es noch weitere Münzen mit dem Abbild von Joachim II. aus diesem Zeitraum?
Ob heute noch eine Abzeichnung oder ein Foto des 1830 aufgefundenen Sandstein-Bildnisses existiert, ist mir nicht bekannt. Aber es könnte wichtig helfen die Frage zu klären, ob es sich bei der linken Person auf dem Zecherrelief im Jagdschloss Grunewald tatsächlich um Joachim II. handeln könnte.
Hans Schenk soll übrigens auch Münzabbildungen erschaffen haben, Wikipedia Stand 12.02.2013: „…seine Verdienste als Medaillenschneider hervorzuheben“ (siehe Kurfürst Moritz von 1547 in Silber, Sabina von Brandenburg von 1558 in Stein und Joachim II. 2x in Stein von 1560, 1560 und Joachim II u.a. von 1564 in silber), was die Frage aufwirft, ob evtl. auch das Abbild auf dem Guldengroschen von 1542 von ihm stammt bzw. stammen könnte (?), ich versuche das noch herauszufinden, – die starke Ähnlichkeit wäre dann sofort erklärlich, denn beide Porträts würden dann vermutlich aus der gleichen Künstlerhand stammen?! Das Porträt auf der Münze von 1542 scheint mir „feiner charakterisiert“, als auf den beiden Münzen von 1539 und 1541. In späteren Jahren „legte“ Jochim II. dann körperlich zu, was sich an einem Vergleich der beiden Schenk-Münzen von 1560 (Joachim II. ca. 55. Jahre alt) mit den Ölbildern von Cranach von ca. 1555 (ca. 50 Jahre alt) und 1562 (ca. 57. Jahre alt) zeigt.) (Weitere Münze von 1551). Zwei Gemälde, welche Joachim II. vor der Zeit der Schlossbauten zeigen, stammen aus dem Jahr 1520 (ca. 15 Jahre alt) und 1529 (ca. 24. Jahre alt). Hier wirkt er allerdings, wie ich finde, anders als auf den dann folgenden Münzbildnissen von 1539, 1541 und 1542. Weitere Bildnisse von Joachim II. befinden sich lt. Angabe von Paul Seidel (1902 „Die ältesten Bildnisse der brandenburgischen Hohenzollern„) im schwedischen Schloss Gripsholm, ob das aber auch heute noch der Fall ist, ist mir nicht bekannt.
Über das Stadtschloss schreibt Börsch-Supan 1981/97 auf Seite 6. folgendes: „Unmittelbar nach der Übernahme der Regierung 1536 begann Joachim mit dem Um- und Erweiterungsbau des Berliner Stadtschlosses, für den er die besten ihm erreichbaren Künstler heranzog, die Baumeister Caspar Theiß und Konrad Krebs und den Bildhauer Hans Schenk genannt Scheußlich.“ Krebs verstarb 1540. Auf Seite 13. schreibt Börsch-Supan dann: „Caspar Theyß führte um 1540 für Joachim II. den Renaissancebau des Berliner Schlosses aus. Kunz Buntschuh unterstützte ihn dabei als Bauschreiber.“ Wikipedia schreibt mit Fundstellendatum 18.01.2013 über die Baugeschichte des Berliner Stadtschlosses: „Kurfürst Joachim II. ließ im 16. Jahrhundert die spätmittelalterliche Burg weitgehend abtragen und an ihrer Stelle durch die Baumeister Caspar Theiss und Kunz Buntschuh nach dem Vorbild des Schlosses in Torgau eine prachtvolle und bedeutsame Renaissance-Residenz errichten.“
Etwa rund vier Jahre nach Baubeginn am Stadtschlosses (ab 1538) begann der Bau des Jagdschlosses (1542). Gert Streidt, Peter Feierabend: Preußen. Kunst und Architektur. Könemann, Köln 1999, S. 514.) schreiben in ihrer Künstlerbiografie über Theiss und Buntschuh: “ Theis…1537-1538 Schloßbaumeister in Berlin; 1539-1544 in Berlin urkundlich erwähnt; Leiter des kurfürstlichen Bauwesens; Mitarbeit an zahlreichen Schloßbauten; betrieb zusammen mit dem kurfürstlichen Rat G. Brage, K. Buntschuh und den Münzmeistern P. Mohlradt und A. Schenk eine Gesellschaft zur Ausbeutung der Bodenschätze der Mittelmark, die 1539 das kurfürstliche Privileg erhielt; 1544 gründet die Gesellschaft das Salzwerk Beelitz“, Theiss wird zum Mühlenmeister ernannt.“ Beide waren also in genau diesen Zeiträumen nicht nur gemeinsam am Stadtschloss tätig, sondern standen auch in anderer Geschäftsbeziehung zusammen. Neuzeitlich ausgedrückt würde ich das wie folgt verstehen: Beide waren „Partner“. Daher wäre es logisch anzunehmen, dass beide auch gemeinsam am Jagdschloss tätig waren, wobei man aus dem überlieferten Relief ableiten könnte, dass Theiss als „Leiter des kurfürstlichen Bauwesens“ als im Rang höher anzusehen ist als Buntschuh, wird Theiss doch auf dem Relief als die zentrale Person dargestellt. – Selbst Theiss sein Krug (oder möglicherweise „Pokal“, wie bei der Führung am 27.01.2013 erwähnt wurde) erscheint fast 4x größer als der von Buntschuh. Steht ihm deshalb auch 4x mehr an Ehrung durch den „WILKVM“ zu? Falls beide sowohl am Stadtschloss, als auch am Jagdschloss Grunewald tätig waren, wäre die Verbringung des Reliefs vom Stadtschloss zum Jagdschloss dann historisch nicht einmal falsch; Bauherr – 1. Baumeister – 2. Baumeister. Wenn es also am Stadtschloss zu einer späteren Zeit nicht mehr erwünscht war, so war das Vestibül im Jagdschloss genau der richtige Ort gewesen, um das Relief für die Nachwelt zu erhalten.
Interessant ist noch der Hinweis von Hartwig Schmidt (Aufsätze, Seite 42, „Kellergeschoß„), dass nämlich das Zecherrelief über dem ehemaligen Eingang zum Kellergeschoß angebracht ist. Über das Kellergeschoß schreibt er:
„Genutzt wurden die Kellerräume sicherlich zur Vorratshaltung, zum Lagern der Wein- und Biervorräte, auf die das “Zecher-Relief” hinweist und über deren Zugang es angebracht ist. Im schmalen Eingangsraum befand sich ein 160/50/30 cm großes Sandsteinbecken, das mit einer Rinne in Verbindung stand, die an der Seeseite bis über die Schälungsmauer hinausführte…Ob das Ausgußbecken zu einer Badestube gehörte, wie sie Lewy (Max Lewy) für das Schloß Hartenfels beschreibt und wie sie auch im Jagdschloß Grimnitz vorhanden gewesen ist, eine vertäfelte Badestube mit großen und kleinen kupfernen Wannen, Fußkesseln und Schwitzbank, deren Wasser in einem kupfernen Ofen erhitzt wurde, läßt sich nicht mehr feststellen. Ebenso wenig wie die mögliche Nutzung als Mundküche, zu der auch ein Ablaufbecken notwendig gewesen wäre.„
Die Frage steht also im Raum, ob der Keller in einem früheren Sinne einmal als das genutzt wurde, was man heute als „Wellness“ bezeichnet. Wenn dem so wäre, so wäre das Zecherrelief über dem Eingang zu diesem „Wohlfühl-Bereich“ der frühen Neuzeit ebenfalls auch am richtigen Ort angebracht. Was für ein Zufall?
Und wäre es heute doch nur in einem Stück dort schön eingerahmt und eingepasst angebracht, so hätte nie jemand die Vermutung aufgestellt, dass es dort eigentlich wohl vielleicht früher einmal nicht hingehöre….
Der oben schon erwähnte Friedrich Nicolai schrieb 1786 zur Jahresangabe 1543: „Es ist sonderbar, daß ob man gleich so mancherley Bildhauerarbeiten von diesen Zeiten und nachher noch findet, dennoch nicht ein einziger Name eines Bildhauers übrig geblieben ist.“ – verflixt nochmal!