Arbeitsbeschaffung

Im Grunewald finden sich viele Wege, welche zu früheren Zeiten sogar mit einer Stein-Pflasterung angelegt waren. Außerdem finden sich im Uferbereich viele Befestigungsmauern und Steintreppen. Scheinbar gehen diese Anlagen anfänglich auf den Einsatz von Kriegsgefangenen und später von Erwerbslosen in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg (hier ab 1919/1920) und der Zeit der weltweiten Wirtschaftsdepression von 1929 bis 1933 zurück.

Viele der Steintreppen am Havelufer waren in den vergangenen Jahren zugewachsen und voller Astwerk, so machten sie den oft einen insgesamt verfallenen Eindruck. So zum Beispiel eine Treppe am Schildhorndenkmal und eine Treppe zwischen der Jürgen Lanke (Schildhorn) und der Alten Liebe. Seit einiger Zeit wurden jedoch diese Treppen jedoch wieder freigelegt und es stellte sich heraus, dass sich die Treppen tatsächlich doch in einem recht passablen Zustand befinden. Was frühere Fußwege betrifft, so sind diese durch Bodenbewegungen/Erosion jedoch zerstört und die Ziegelsteine stören heute beim Laufen.

Ansonsten ist mir aufgefallen, dass an vielen Stellen im Grunewald Ziegesteine einzeln oder in Gruppen herumliegen. Ob diese Seine von den ehemaligen Wanderweganlagen oder einfach nur Schuttreste aus dem 2. Weltkrieg darstellen, weiß ich nicht.

Hier die mir bisher bekannten Quellen:

1915 – 1920

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Verband Groß Berlin, Textanlage zur Wanderkarte vom Grunewald, Holzverlag 1920:

„Im Jahre 1915 ist ein großer Teil der Groß Berlin umgebenen Wälderaus Staatsbesitz in das Eigentum der Groß Berliner Bürgerschaft übergegangen…. Der Ankauf der insgesamt 10 000 ha umfassenden Waldflächen (für 50 Millionen Reichsmark) erfolgte in Ausführung der dem Verbande Groß Berlin durch das Zweckverbandsgesetz zugewiesenen Aufgabe, größere von der Bebauung freizuhaltende Flächen…… zu erwerben und zu erhalten……. Die größte zusammenhängende Fläche bildete der 4100 Hektar umfassende Grunewald….
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Der Verband übernahm die Verwaltung des Waldes im Jahre 1915 unter den schwierigsten Verhältnisen. Deutschlands waffenfähige Söhne standen gegen den Feind, sein gesamtes Wirtschaftsleben war auf den Krieg eingestellt, jegliche andere Arbeit hatte unter den größten Hemmungen zu leiden. Unter diesen Verhältnissen konnte seitens des Verbandes Groß Berlin in den ersten Jahren des Besitzes zur Verschönerung des Waldes nicht viel geleistet werden, man mußte sich daran genügen lassen, die dringendsten Arbeiten unter Verwendung von Kriegsgefangenen zu erledigen.

Das änderte sich mit Eintritt der Demobilmachung. Es galt für die heimkehrenden Krieger Arbeitsgelegenheit zu schaffen, um ihnen den Uebergang in die kommenden Friedensverhältnissen nach Möglichkeit zu erleichtern. Der Verband Groß Berlin hat sich an dieser Aufgabe nach Kräften beteiligt. Es wurde ein Plan für die Ausführung umfangreicher Notstandsarbeiten, die fast ausnahmslos dem Grunewald galten, aufgestellt und durchgeführt. Zeitweise konnte bis zu 1400 Personen Arbeitsgelegenheit geboten werden. Auf diese Weise entstanden neue Wanderwege, Wegeverbesserungen und sonstige Anlagen, die dem Grunewald an zahlreichen Stellen ein verändertes Gepräge verliehen haben und dazu beitragen werden, den Grunewald immer mehr zu einer Stätte genußreicher Erhohlung und behaglichen Ausruhens zu gestalten.“

1929 – 1933

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1950 Schmook, Seite 100/101: 1 Million Waldbesucher an Karfreitag
„An einem Karfreitag – es lag Neuschnee bei mäßigen Froste – wimmelte es einmal besonders stark von Menschen. Ich weiß nicht woran es lag, wahre Menschenströme ergossen sich von früh bis spät in den Wald. An bevorzugten Stellen drängten sie sich knapp vorwärts, wie abends in der Leipziger und Friedrichstraße. So am Grunewaldsee, bei Paulsborn, an der Saubucht und bei Schildhorn.
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Am nächsten Tage bat ich die Leitung der Verkehrsgesellschaft – Stadtbahn, Elektrische Bahn, Untergrundbahn, Autobusse, um gelegentliche Angaben der nach Grunewaldzielen verausgabten Fahrscheinzahlen. Die erhielt ich freundlicherweise einige Wochen darauf: 815 000 Fahrgäste hatten sich an jenem Karfreitag mit der Stadtbahn, den elektrischen Bahnen, U-Bahn, Autobussen nach Eichkamp, Grunewald, Nikolassee, zum Kurmärkerplatz, Roseneck, Pichelswerder und den übrigen Endstationen für den Grunewald befördern lassen. Rechnet ich nun noch die Insassen der unzähligen Privatautos und Karen, die Motorradfahrer, Pferdefuhrwerke, Reiter, Radfahrer, Fußgänger aus der Nachbarschaft hinzu, so kam eine volle Million Waldbesucher heraus. So schlimm war es natürlich nur selten! Jedoch konnte man an besonderen Feiertagen mit Hunderttausenden, an Sonntagen mit Zehntausenden von Grunewaldbesuchern immer rechnen. Auch wochentags ergingen sich stets Zehntausende in ihrem lieben Stadtwalde. Dementsprechend sah der nach solchen Masseninvasionen aus: Die Hänge zertrampelt, die Zäune demoliert, überall Jungwüchse und ältere Bäume beschädigt. Zweige abgeknickt, verwelkte Sträuße lagen umher, Bänke zertrümmert……Und wahre Fluten von Papier, Scherben, Dosen, Unrat…..
7500 Mark hat mir in einem Jahre der Magistrat zur Verfügung gestellt, um mit Hilfe von Erwerbslosen diesen Abfall wieder zu beseitigen! Sie wurden restlos ausgegeben! Dabei hingen allerorts Papierkörbe neben den Bänken an den Bäumen. Auch die wurden zerstört und, soweit sie aus Draht waren, in der Havel als Fischreusen von ganz Findigen mißbraucht! Wir Forstleute waren immer froh, wenn so ein Festtag wieder ohne allzu große Schäden, besonders ohne Waldbrand – aber der blieb selten aus – vorübergegangen war….. Und sicherlich das Wild auch…… “
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1950 Schmook, Seiten 7/8: Hangbefestigungen I
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Als dann die Menschenströme sich in immer stärkerer Zahl infolge guter Verkehrsmöglichkeiten in den Grunewald alltäglich ergossen – in meiner Jugendzeit war es beim Schulausflug vom Schöneberger Prinz-Heinrich-Gymnasium mit der Pferdebahn bis Hundekehle eine Halbtagesreise -, und als jegliche Achtung vor der Natur dahinschwand, trampelten Unvernünftige alle Hänge so zusammen, daß Streudecke und Grasnarbe schwanden, worauf regengüsse den dürren Sand in die Tiefe rissen und dabei die lehmschichten freischwemmten. Nach jedem größeren Gewitter mußten dann Arbeiterkolonnen die Havelchaussee wieder freischaufeln, bis ich 1930 – 1933 mit Tausenden von Erwerbslosen in mühevoller Arbeit alles wieder nach oben schaffen und mit Havelschlamm durchsetzt. meterweise befestigen ließ.
Zwar erregten meine Stacheldrahzäune den Unwillen vieler Menschen, aber nur unter ihrem Schutze gelang mir die Neubefestigung und der Unterbau der gefährdeten Hänge und damit die Erhaltung der landschaftlichen Schönheiten. Pichelswerder, Hundekehlenseeufer, Grunewaldseehänge, Havelhänge von Schildhorn bis zum Großen Fenster und Wannsee wurden so in mühevoller und nicht immer anerkannter Arbeit Stück für Stück wieder hergestellt.
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1950 Schmook, Seite 170: Hangbefestigungen II
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„Ich war damals mit den Vorbereitungen zu jenen gewaltigen Hangbefestigungsarbeiten auf Pichelswerder und an den Havelhängen, sowie an den Grunewaldseen beschäftigt, die mich später noch jahrelang in Anspruch nahmen. Galt es doch, Tausende von Erwerbslosen, hauptsächlich aus Spandau, mit nutzbringender Arbeit zu beschäftigen. Die Vorbesichtigungen und Besprechungen an Ort und Stelle erforderten eine ganze Menge Zeit, zumal ich ja alle Wege zu Fuß oder mit meinem Dienst-Tretmobil zurücklegen mußte.“
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1950 Schmook, Seite 210: Holzabfuhrstraße und Restaurationskahn am Großen Fenster
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“Für mich war die Zeit zur Heimkehr zu knapp. Aber in der Zwischenzeit konnte ich noch andere Dienstangelegenheiten in der Nähe erledigen. Eine unvorhergesehene Revision in einer meiner Baubuden an den Havelhängen konnte nichts schaden. Ich hatte da von der Hauptabteilung eine kleinere abgezweigt, die unter Aufsicht eines Forstgehilfen einen kleinen Berg zu verlegen hatte, der mir bei meinen Wegebauplänen hinderlich war. Denn es fehlte eine gute Holzabfuhrstraße zwischen Saubucht und Großem Fenster, deren Bau ich nun mit den Erwerbslosen begonnen hatte. [Hinweis: Es handelt sich vermutlich um den “Schwarzen Weg”, Kartenausschnitt siehe bitte unter Havelberg.] Als ich zur Havel hinabschritt, schwankten über den Landungssteg des dicht am Ufer liegenden Restaurationskahnes unter gröhlendem Gesange drei Gestalten, zwei Männer und eine Frau. Einen Augenblick blieb ich stehen, denn ich fürchtete, möglicherweise helfend einspringen zu müssen, wenn die drei sichtlich stark verunnüchterten Menschen vom schmalen Stege ins Havelwasser oder in den Schilfmorast fallen sollten. Es ging aber gut. Mit der Behauptung: “So leben wir alle Tage…” wackelten die merkwürdigen Zeitgenossen  dem Walde zu. Die Revision auf meiner Baubude war kurz und verlief in voller Ordnung, der junge Forstmann war auf dem Posten! Langsam bummelte ich also wieder waldwärts bergauf, um mich allmählich beim Fuchsbau einzufinden.“

1941 Planung

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1987 Jürgen Dettbarn-Reggentin, Strandbad Wannsee “Badegeschichte aus achtzig Jahren”, Verlag Nishen/Berlin-Kreuzberg, Seite 39:
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Auch die Nazis erkannten: Der Berliner will in der Havel baden können. Nach ihrer Einschätzung würde “das Wannseebad mit seinem Riesenbetrieb … manchen befriedigen, viele aber auch abstoßen. Für diese vielen sollen große Strandflächen längs des Havelrandes geschaffen werden. Teile des vorhandenen Schilfgürtels werden dafür beseitigt. Die dem Grunewaldrand zur Havel hin vorgelagerten Wiesen sind an den meisten Stellen zu schmal, um genügend Liegeflächen für die Badenden zu geben. Deshalb werden große Lichtungen im benachbarten Waldgebiet freigelegt und durch Treppen mit dem Badestrand verbunden. Durch diese Maßnahmen wird ein Strand in einer Länge von insgesamt vier Kilometern gewonnen. Große Erdbewegungen zur Erhöhung der am Wasser liegenden, teilweise versumpften Wiesen und damit zur Verbesserung des Badestrandes wollen zur Durchführung kommen.“ Diese Maßnahmen sollten im Rahmen der Umgestaltung des Grunewaldes vollzogen werden. Ihre Planung entstammte der Feder des Generalbauinspekteurs Albert Speer aus dem Jahre 1941, dessen Planungen auf ein Groß-Berlin mit ca. 12.000.000 Einwohnern ausgerichtet waren.“
1950 Wiederaufforstung
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1957 Behm, Seiten 117 und 118:
Mit kostspieligen Aufräumungsarbeiten sollte 1950 die Waldsinstandsetzung beginnen, nachdem schon zuvor diese und jene Wiederaufbauarbeiten gleichsam „freehand“ vorgenommen worden waren. Zahlreiche Bombentrichter, Granatlöcher oder Schützengräben, zum Teil schon mit Strauchwerk besetzt, wurden eingeebnet. Militärische Behelfsbehausungen aller Art und Panzersperren wurden beseitigt. Unter Führung erfahrener Sprengmeister suchten Arbeitskolonnen den Forst planmäßig nach Waffen und liegengebliebener Munition ab. Die Pflanzungen, die teilweise schon zeitlich früher begonnen hatten, wurden systematisch im Sinne der Planung vorangetrieben, soweit die hierfür benötigte Bodenbearbeitung vorausgegangen war. Bereits während der unerquicklichen Zeit der Blockade wurden erhebliche Mengen geeigneten Pflanzenmaterials über die Luftbrücke eingeflogen. Da schon für einen einzigen Hektar Kiefernaufforstung 23000 bis 24000 Stück einjährige Kiefernpflänzchen zum Einsetzen benötigt wurden, geht deren Bedarf in viele Millionen. Zumeist sind es Frauen, die sich für diese Arbeit am besten bewähren und die es jeweils auf eine Tagesleistung von durchschnittlich 600 bis 700 Pflanzen bringen. Demnach sind 40 Frauentagewerke allein für die Bepflanzung eines Hektars erforderlich. Mancher unserer Grunewaldfreunde wird sich dieser Zeit und auch noch der Folgejahre entsinnen, als Frau neben Frau hinter aufgepflügten Bodenstreifen saß und Pflänzchen um Pflänzchen dem Erdreich anvertraute.
2016: Der Senat diskutiert über Arbeitseinsätze von Flüchtlingen in den Forsten und in Heimen.

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