Jaczoturm und Jaczoschlucht
Am westlichen Ufer der Havel, gegenüber dem am Havel-Ostufer gelegenen Schildhorndenkmal, befindet sich die „Jaczo-Schlucht“ mit dem „Jaczo-Turm“ (Baudenkmal), sowie weitere Reste einer gartentechnisch aufwendigen Anlage.
- 1999 Harry Nehls, Was wird aus dem Jaczoturm? (Auszug):
[caption id="attachment_6636" align="alignright" width="216"] 1999 Nehls Jaczoturm[/caption]
Historisch verbürgt ist, daß der Wendenfürst Jaczo bzw. Jaxa von Köpenick, dessen Bildnis uns durch Münzen (Brakteaten) überliefert ist, für einige Jahre, bis 1157, Brandenburg in seinen Besitz gebracht hatte. Im Verlauf des Jahres 1157 gelang es Albrecht dem Bären (um 1100–1170), Brandenburg, das ihm zuvor von dem christianisierten Hevellerfürsten Pribislaw-Heinrich (um 1127–1150) vererbt worden war, zurückzuerobern und das Gebiet bis Spandau zu besetzen. Hier aber, wo die Geschichtsquellen versiegen, knüpft die Sage über das kriegerische Aufeinandertreffen von Slawen und Deutschen an.
Das rustikale Turmmauerwerk besteht aus überwiegend unbehauenen (Rüdersdorfer?) Kalksteinblöcken, einigen Granitsteinen und rötlichen, normalformatigen Industrieziegeln (28,5 x 13,5 x 8,5 Zentimeter), die durch Kalkmörtel verbunden sind. Zwei der Ziegel tragen einen Stempel (51/A 1), der vom Schriftduktus gut in die Zeit um 1914 paßt. Auf der zur Gatower Straße hin ausgerichteten westlichen Turmseite befindet sich auf halber Höhe eine in das Mauerwerk eingelassene, zweigeteilte Sandsteinplatte in Form eines liegenden Rechteckes mit den Maßen 1,30 x 0,74 Meter. Die obere Hälfte besitzt eine schmale Randleiste und ist mit einem flachen Figurenrelief auf horizontal geriefeltem Grund, das die sagenhafte Flucht Jaczos wiedergibt, geschmückt. In gestrecktem Galopp verfolgen drei mit Helm, Schild und Lanze bewaffnete deutsche Ritter den fliehenden Wendenfürsten, der sich nach seinen Verfolgern umblickt. Im Gegensatz zu jenen trägt Jaczo nicht den geschlossenen Helm mit Federbusch, sondern eine kappenartige Helmhaube mit zwei antithetischen Wülsten. Mit seiner linken Hand hält er einen kleinen Rundschild, die rechte umklammert eine aufgerichtete Lanze. Der leider unbekannte Bildhauer des Reliefs hat sich redlich bemüht, hinsichtlich der Tracht und Bewaffnung die Unterschiede zwischen Deutschen und Slawen bzw. Wenden herauszuarbeiten. Unterhalb der Verfolgungsszene steht eine dreizeilige, bisher nicht ganz richtig wiedergegebene lateinische Inschrift. Sie lautet korrekt:
Has per fauces, Jaczo, princeps Slavorum, / ab Alberto Urso pulsus, ad habelam evasit. / Anno Domini MCLVII.
(Durch diese Schlucht wurde Jaczo der Slawenfürst im Jahre des Herrn 1157 von Albrecht dem Bären verfolgt und in die Havel getrieben.)
Ein zweites, kleineres Sandsteinrelief in Form eines stehendes Rechteckes (Maße: 0,43 x 0,28 Meter) befindet sich unmittelbar über der mit einem Segmentbogen überkrönten, 1,10 Meter breiten Türöffnung an der Südseite des Turmes. Es zeigt ein rechteckiges Wappen mit einer aus Quadermauerwerk bestehenden Architektur mit ausgesparter Tür, auf der ein Bär nach rechts läuft. Auf der oberen Wappenkante ist ein mittig plaziertes, helmartiges Gebilde zu erkennen: eine stark erodierte, aufrecht stehende Figur, möglicherweise ein weiterer Bär.
Auffällig ist der unter Verwendung von überwiegend roten Industrieziegeln sowie vereinzelten, behauenen Kalk- und schwarzen Granitsteinen recht sorgfältig gestaltete Portalbereich mit seinen beiden Anten und dem besagten Segmentbogen. Rechter Hand befinden sich die erwähnten, mit Stempel versehenen Ziegel. Gänzlich verschwunden ist die Tür, über deren Aussehen nichts Näheres bekannt ist. Übriggeblieben sind lediglich zwei eiserne, in das rechte Mauerwerk eingelassene Türangeln, von denen die obere mit gelber Farbe besprüht ist. Die heute verschüttete Türschwelle, die vom Verfasser partiell freigelegt wurde, besteht ebenfalls aus roten Industrieziegeln, ebenso das unverputzte Gewände des Turminneren mit seiner eingezogenen Betondecke. Von den ursprünglich dreizehn den Jaczoturm bekrönenden Zinnen stehen noch zwei in situ, sieben liegen verstreut in der unmittelbaren Umgebung. Drei weitere befinden sich im Inneren des Rundturmes, der Rest scheint verschollen. Das Äußere des Turmes ist mit Graffiti übersät, auch das Hauptrelief. Am schlimmsten betroffen ist das Turminnere, das von einigen Zeitgenossen als WC und Mülldeponie »genutzt« wird. Fußballfans haben mit schwarzer Farbe auf das leicht gewölbte Flachdach des Turmes »HERTHA« aufgesprüht.
Innerhalb der einschlägigen Berlin-Literatur hat als erster Kurt Pomplun den Jaczoturm behandelt [Berlins alte Sagen. Verlag Hessling, Berlin 1964. 5. Auflage 1985]. Gunther Jahn, der 1971 das Standardwerk über Spandaus Bauwerke und Kunstdenkmäler vorlegte, überging Pomplun mit Stillschweigen, nannte als Literatur zum Jaczoturm lediglich Pressenotizen und datierte die Errichtung des Denkmals fälschlich in die Zeit um die Jahrhundertwende.
Die letzte Erwähnung des Jaczoturmes findet sich in dem Buch von Klaus-Dieter Wille »42 Spaziergänge. Historisches in Charlottenburg und Spandau« (Berlin 1976, S. 127 ff.). Sie fußt zweifellos auf Pomplun, ohne diesen im Literaturverzeichnis zu erwähnen. Willes Betrachtung schließt mit den Worten: »Auf dem der Allgemeinheit nicht zugänglichen Gelände bleibt der >Jaczo-Turm< hoffentlich recht lange noch vor unliebsamen Einflüssen verschont.« Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Auch ist das Gelände, vormals Eigentum der Berliner Wasserwerke und gegen 1972 an das Spandauer Bezirksamt veräußert, längst der Allgemeinheit zugänglich. Zwar existiert noch immer ein das Areal umgebender maroder Maschendrahtzaun, aber sowohl ein darin befindliches mannshohes Loch als auch ein unverschlossenes Eisentor an der Gatower Straße ermöglichen jedermann und jederzeit den Zutritt.
Ende März/Anfang April 1984 bahnte sich so etwas wie eine Initiative zur Rettung des verwahrlosten Jaczoturmes an, ausgelöst durch zwei anonym verfaßte Zeitungsartikel. Nur wenige Tage später, am 3. April, wurde sogar ein Antrag der Spandauer SPD-Fraktion bei der zuständigen Bezirksverordneten-Versammlung zur Instandsetzung des Jaczoturmes eingebracht. Der damalige Leiter des Berliner Landesamtes für Denkmalpflege, Helmut Engel, erklärte gegenüber dem »Volksblatt Berlin«, daß auch nichtöffentliche Denkmäler im Zuständigkeitsbereich seiner Behörde liegen. De facto aber geschah bis zum heutigen Tage nichts. Der Turm ist nach wie vor dem grassierenden Vandalismus ausgesetzt, obwohl er inzwischen unter Denkmalschutz steht. Die bloße, auf dem behördlichen Papier stehende Klassifizierung als Baudenkmal dürfte ihn kaum vor weiterer Demontage bewahren.
Wie rasch seine größtenteils mutwillige Zerstörung vorangeschritten ist, dokumentiert eine Serie von in der Landesbildstelle Berlin aufbewahrten Fotos, die am 7. August 1954 von W. Nitschke gefertigt wurde. Die Fotos zeigen einen nahezu intakten, vollkommen graffitifreien Turm. Selbst der bildhauerische Schmuck, die beiden Reliefs und die lateinische Inschrift, waren seinerzeit noch vorzüglich erhalten, insbesondere das Jaczo-Porträt. Die nunmehr gewaltsam aus ihrem Mörtelbett herausgebrochenen und heruntergeworfenen Turmzinnen, der zerschlagene Segmentbogen und das arg malträtierte Relief mit der Verfolgungsszene, ganz zu schweigen vom chaotischen Zustand des Turminneren, bieten heute ein Bild des Schreckens. Eine Mitschuld an diesem traurigen Zustand trägt nicht nur das mangelhafte öffentliche Bewußtsein für derartige Denkmäler und der oftmals unsensible Umgang mit denselben, sondern auch ihre Geringschätzung. So wurde der Jaczoturm in der Vergangenheit gelegentlich als »nicht historisches«, »kulturgeschichtlich unbedeutendes« und »antiquarisch wertloses Bauwerk« disqualifiziert…
Während das Schildhorndenkmal zur Zeit gerade »aufpoliert« wird, indem man den ihn umgebenden Wald auslichtet, ist der Jaczoturm wieder in Vergessenheit geraten. Eine vom Verfasser vorgenommene, wenn auch nicht unbedingt repräsentative Umfrage ergab, daß das Jaczodenkmal selbst Einheimischen nahezu unbekannt ist. Nicht einmal die 1998 erschienene Broschüre des seit zwanzig Jahren bestehenden Arbeitskreises Gatow, »Wanderungen durch Dorf und Feldflur in Gatow«, erwähnt es. Wenn die Denkmalschützer nicht wollen, daß es bald nur noch ein Schildhorndenkmal gibt und spätere Chronisten einmal darüber spötteln, daß Gatower Kugeln offenbar populärer waren als der (bisher noch nicht einmal vermessene) Gatower Jaczoturm, dann sollten sie sich schnell für eine wirksame konservatorische Rettungsmaßnahme stark machen.
Meine Meinung dazu und Chronologie weiterer Erkenntnisse:
Mal abgesehen davon, dass es sich bei der ganzen Geschichte eh nur um eine Sage handelt, bin ich nicht der Meinung, dass die Schlucht ursprünglich irgendetwas mit der Geschichte zu tun hat. Als ich mit den Turm im Jahre 2006 in Vorbereitung auf einen langen Trainingslauf mit meinem Lauftreff Grunewald angeschaut hatte, hatte ich dort einen älteren Herren getroffen und ihn gefragt, ob er wisse, was es mit dem Türmchen auf sich hat. Er erzählte mir, dass der Turm vom damaligen Grundstücksbesitzer erbaut wurde, – und zwar zum spielen für die Kinder!
Das ist natürlich auch so eine Geschichte, die nicht belegt ist. Aber sie blieb mir im Kopf hängen, und – sie schien mir auch nicht unplausibel:
Denn in der Schlucht befindet sich nicht nur das kleine Türmchen – mit eindeutigem Bezug zur Jaczo-Geschichte – sondern auch noch ein kleiner Wasserfall über drei Etagen mit einen kleinen Teich als Auffangbecken. Von dem Becken führt eine unterirdische Ablaufrinne die Schlucht hinunter. Das besondere an dem Wasserfall ist, dass er zum funktionieren einen Wasserzulauf, vermutlich in Form einer Wasserleitung oder einer Pumpe, benötigt. So etwas zu bauen oder bauen zu lassen, erfordert nicht nur Interesse und Geschick, sondern auch Planung und Geld.
Ich habe mich daher gefragt, ob man das Türmchen und den Wasserfall nicht als Garten-Ensemble betrachten muss. Daraufhin habe ich mir das Grundstück angeschaut und nach weiteren Hinweisen gesucht, welche darauf schließen lassen, dass die beiden Anlagen möglicherweise vom damaligen Grundstückseigentümer im Rahmen einer Gartengestaltung angelegt wurden. Möglicherweise „einfach nur so, aus einer Laune heraus“, oder aber vielleicht sogar romantisch inspiriert von den 1911 auf dem Pichelswerder stattgefundenen „Albrecht der Bär-Festspielen„?
Auf dem Grundstücksteil oberhalb der Schlucht habe ich am 02. April 2014 dann folgendes gefunden:
- Einen Natursteinbrunnen mit einem kleinen Sammelbecker davor (daneben eine Grube, welche von der Größe her an ein (Garten)häuschen erinnert?).
- Eine mit Efeu bewachsene Kuhle, welche auf mich von ihrer Form und Größe her sofort an ein Grab erinnerte.
- Davon abseits dann einen „herumliegenden“ Grabstein der Familie Hissink mit folgenden Angaben:
- Jacobus Hissink / 08.03.1874 – 01.05.1940
- Hertha Hissink, geborene Beringer / 14.10.1882 – 31.01.1944
- Zum Gedenken an: Joan Erik Hissink, 26.02.1912 – gefallen 03.09.1939 (mehr siehe bitte Eintrag vom 24.07.2014)
- Einen kleinen, befestigten Teich mit einem kleinen Wasserfallzulauf.
Über die Familie Hissink habe ich daraufhin folgendes gefunden:
Wolfgang König, Technikwissenschaften 1880 – 1914, Seite 238:
„So gelangte … Michael v. Dolivo Dobrowolsky zur AEG, stieg dort auf und holte mit Jacobus W. Hissink, Karl Schmidt und Anton Weber drei Elektrotechniker in die Firma, die Karriere machten und es bis zum Generalbevollmächtigten und Vorstandsmitglied der AEG bzw. im Falle von Hissink zum Generaldirektor von Bergmann brachten.„
2007, Bettina Beer, Frauen in der deutschsprachigen Ethnologie, Seite 73 uff., Auszug:
Karin Hahn-Hissink, geb. Hissink – geboren 4. November 1907 (Berlin), verstorben 23. Mai 1981 (Kronberg im Taunus)
Die Quellenlage ist im Fall von Karin Hahn-Hissink außergewöhnlich gut. Im Frobenius-Institut in Frankfurt am Main ist sowohl ihr privater als auch ihr wissenschaftlicher Nachlass archiviert. Das würde eine weitergehende Auswertung von Dokumenten, Feldforschungstagebüchern und vor allem Fotos und Zeichnungen erlauben, als es im Rahmen des vorliegenden Handbuchs möglich ist.
Karin Hissink wurde als Tochter eines holländischen Vaters und einer deutschen Mutter in Berlin geboren. Ihr Vater war in einer leitenden Position bei der AEG tätig. Ihre Mutter kam aus einer wohlhabenden Charlottenburger Familie. Offensichtlich Iag der Mutter die Gleichberechtigung von Frauen am Herzen. So schrieb sie 1933 einen Brief an den Reichskanzler Adolf Hitler, in dem sie ihm vorwarf, er verstehe die Frauen nicht. Unter „Ehre“ der Frau müsse Gleichberechtigung verstanden werden. Auch Teile des Nachlasses von Hertha Hissink sind im Archiv des Frobenius-lnstituts einsehbar. Ihr Mann, Jack Hissink, kam aus einer reichen holländischen Familie.
Gemeinsam bewirtschaftete das Ehepaar u.a. einen größeren landwirtschaftlichen Betrieb in Gatow (Berlin-Spandau).
Karin Hissink hat in ihrer Jugend viel Sport getrieben, auch Ski fahren und Segelfliegen. Sportarten, die Kindern aus wohlhabenden Familien vorbehalten waren. So war sie Mitglied der „Spandauer Damengruppe der Segelflieger“. Die Ferien verbrachte sie gemeinsam mit ihrem Bruder und Freunden im Skiurlaub. Ihre Erziehung war jedoch auch geschlechtsspezifisch ausgerichtet. Im Archiv findet sich beispielsweise ein Zeugnis über den Abschluss eines Kurses in Säuglings-, Kinder- und Krankenplege beim Leite-Verein in Berlin. Hermann Trimborn schrieb über ihre frühen Jahre:
„Wir erfahren nur, daß sie die ersten fünf Jahre ihrer Schulzeit in der Privatschule Tanneck, am Reichskanzlerplatz in Westend, absolvierte und nach deren Auflösung zum Westend-Gymnasium überging. Dort bestand sie offenbar 1928 die Reifeprüfung; jedenfalls wissen wir, daß sie sich von 1928 bis 1933 einem breitgefächertem Studium in Lausane, München und Berlin widmete, wobei die Palette ihrer Fachgebiete damals schon von der Philosophie über die Prähistorie und Archäologie bis zur Völkerkunde, und hier vor allem der Amerikanistik, reichte.“
Ihr Bruder Jan fiel als Oberstleutnant 1939. Die Familien-Legende besagt, der Vater sei 1940 letztlich als Folge des nicht verwundenen Todes seines einzigen Sohnes gestorben. Karin Hissink schrieb am 20. Oktober 1944 an einen alten Freund: „Nach Ursels Tod haben wir uns ja noch einmal kurz in München gesehen, so dass Du vielleicht weißt, dass Jan schon im September 1939 gefallen ist. Ihm folgte im Mai 1940 mein Vater nach kurzer schwerer Krankheit, zu deren Überwindung er nach Jans Tod keine Widerstandskraft mehr besaß.“
Anfang der siebziger Jahre trat Karin Hahn-Hissink als Oberkustodin am Städtischen Museum für Völkerkunde in Frankfurt in den Ruhestand. In den siebziger Jahren erkrankte sie und wurde bis zu ihrem Tod 1981 auch nicht wieder völlig gesund…
Erst 1966 hatten Karin Hissink und Albert Hahn geheiratet…
Albert Hahn und Karin Hissink hatten keine Kinder, die Anspruch auf ein Erbe gehabt hätten. lhr gesamtes Vermögen vermachte das Ehepaar der Frobenius-Gesellschaft. Aus diesen Mitteln wird heute etwa die Jensen-Gedächtnis-Vorlesung sowie ein Forschungspreis bezahlt der es einem Stipendiaten ermöglicht, ein Jahr lang am Frobenius-Institut wissenschaftlich zu arbeiten.
Das hintere Grundstücksgelände („Private Naturnahe Parkanlage„) ist von Wald, Efeu und Schutt (auch alten Ziegelsteinen) bedeckt. Möglicherweise finden sich unter dem Bewuchs auch noch andere Anlagen. Ich kenne auch nicht die (damaligen) Eigentumsverhältnisse. Aber wenn man sich mit dem Türmchen beschäftigt, sollte man dies meiner Ansicht nach auch in Kontext mit dem gesamten Areal und den anderen Anlagen tun. Hauptsächlicher Hinweisgeber wäre hier die Familie Hissink, und hier insbesondere dann Frau Karin Hahn-Hissink (Foto), welche zum vermuteten Bauzeitpunkt 1914 bereits rund 7 Jahre alt war und so das Türmchen mit Sicherheit gekannt haben muss und es wäre sehr unwahrscheinlich, wenn sie dort nicht auch gespielt hätte. Sind Herr Kurt Pomplun 1964, Herr Gunther Jahn 1971, Herr Klaus-Dieter Wille 1976 und Herr Harry Nehls 1999 bei ihren Untersuchungen zu der gleichen Überlegung gelangt? Hat jemand von Ihnen mit Frau Hahn-Hissink über das Türmchen und die anderen Anlagen sprechen können?
Ansonsten glaube ich nicht, dass es damals (1157) einen Haveluferweg gab. Die Spree und die Havel waren damals nicht „gezähmt“. Auch das Areal um die „Jazco-Schlucht“ dürfte kaum zugänglich gewesen sein. Nicht nur wegen dem Dickicht, sondern auch wegen dem Uferschlick, vermutlich gerade auch in diesem Bereich, der weitflächig ist und sehr tief liegt und daher bestimmt oft überflutet war. Wer sich einige noch mehr oder weniger naturbelassene Gebiete an der Havel anschaut, der wird verstehen was ich meine. „Wenn“ Jaczo auf seinem Pferd geflohen ist, dann wird er auch an Geschwindigkeit interessiert gewesen sein, also „wenn“: Dann wird er auf einem bereits angelegten Weg geflohen sein, dass kann dann eigentlich nur der damalige Verbindungsweg zwischen Gatow und Spandau gewesen sein. Das es damals bereits einen Verbindungsweg von Spandau über das spätere Gatow gab, schließe ich daraus, dass Gatow kurz nach 1200 als Straßendorf entstand.
Die Version, dass er dann auf seiner Flucht irgendwie auf dem „Sack“ gelangte und von dort nicht mehr anders fliehen konnte, als sich mit seinem Pferd in die „Breite“ zu stürzen, erscheint naheliegender, als das er sich gerade im dem Bereich der Schlucht in den Schlick begeben hat, wo er vermutlich vor Erreichen des freien Wassers mit seinem Pferd steckengeblieben wäre. Und davon gingen wohl auch die Erbauer des Schildhorndenkmals aus, denn warum sonst ist das Denkmal mit Kreuz und Schild auf die Landzunge „Der Sack“ ausgerichtet? Vielmehr ist anzunehmen, dass die „Jaczo-Schlucht“ den Erbauern des Denkmals unbekannt war, weil die Schlucht den Namen erst trägt, seitdem das Türmchen ins Bewusstsein einiger Interessierten gelangt ist und sich so einen kleinen Platz in der bzw. in dieser Geschichte erobert hat.
Mich erinnert dieses Areal an eine kleine, private Miniausgabe der größeren Parkanlagen wie zum Beispiel Klein-Glienicke oder die Pfaueninsel, welche für sich genommen ja auch nur kleine romantische Traumwelten darstellen.
Ich meine daher, dass das Türmchen und die Schlucht mit der Jazco-Geschichte nur dahingehend etwas zu tun haben, als das es die Geschichte neu auffrischt und als Sage weiterhin lebendig hält. Mir erscheint es auch absolut plausibel, dass das Türmchen und die Anlage ganz schlicht vom damaligen Grundstückseigentümer, den Eheleuten Hissink, angelegt wurde – und warum nicht eben auch einfach nur für die Kinder „Karin“ und „Jan“ zum spielen. – So wie die Schlucht und das Türmchen heute dazu dienen, die Kinder mit einem Schildhornschwimmen spielerisch zu erfreuen…
Und wenn es so war, so hat es bei der Tochter Karin „gefruchtet“, denn schließlich wurde sie Kulturwissenschaftlerin und als solche wusste sie sicher, dass es kein größeres Mysterium gibt, als „Das Unbekannte“. Und das größte „Unbekannte“ an dem Türmchen ist: „Ein bislang anonym gebliebener Spandauer Bürger“.
Chronik meiner weiteren Forschungen zum Jaczo-Turm:
09.04.2014: | Eigentumsverhältnisse |
14.04.2014: |
Nachlass von Frau Karin Hissink Spoiler
Eine Anfrage von mir an das Frobenius-Institut hat zu folgendem Ergebnis geführt:
Leider habe ich nicht die Möglichkeit nach Frankfurt zu reisen. Die Frage ist, ob sich in dem privatem Nachlassteil Unterlagen befinden, welche Auskunft über das Türmchen und die anderen Gartenanlagen geben könnten. Zum Beispiel: Grundstückskaufverträge über den Erwerb und die Veräußerung des Grundstücks, Flurkarten, Bauunterlagen, Fotos vom Turm und der Gartenanlage, (vielleicht sogar Fotos, auf den die Kinder Katrin und Jan am Türmchen oder in der Schlucht spielen) etc. |
04.05.2014: | Historische Bebauungsplanentwürfe |
05.05.2014: | Ziegelsteinstempel am Jaczoturm |
10.05.2014: |
„Spielparadies … Hissink-Wald … war Privatgelände und eingezäunt. Dort befindet sich ja auch der Jaczo-Turm, der uns immer wieder magisch anzog.“ Spoiler
Herr Ralf Salecker hat auf seiner sehr informativen Heimatkundeseite „Unterwegs in Spandau“ unter dem Titel „Erinnerungen an die Scharfe Lanke und Umgebung“ einen Bericht des Spandauers Herrn Jörg Sonnabend aus seinen Kindheitstagen veröffentlicht. Herr Sonnabend berichtet auch kurz von dem „Jaczotürmchen“ und das Grundstück der Familie Hissink:
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13.05.2014: | Ziegelein bei Gatow |
01.06.2014: | Ergebnisse der Schülerprojektgruppe der Paul-Moor-Schule |
08.06.2014: | Vergleichbare Stempel an der Katholischen Kirche „Maria, Hilfe der Christen“ in Spandau gefunden |
14.06.2014: | Was bedeutet die Fundstelle an der Kirche „Maria, Hilfe der Christen“ für die Erforschung des Jaczotürmchen? |
18.06.2014: | Das Turminnere |
16.07.2014: |
Zeitungsartikel über den Jaczoturm aus den Jahren 1954 und 1958 Spoiler
Am 16. Juli war ich im Spandauer Stadtgeschichtlichen Archiv, welches sich im Dachgeschoß des Kommandantenhauses der Zitadelle befindet. Der dortige Leiter Herr Metz machte mich freundlicherweise auf zwei Artikel aufmerksam, welche sich in der Sammlung des verstorbenen Spandauers Herrn Albert Ludewig befindet. Herr Ludewig war Klempnermeister und hat 1909/10 zufälligerweise auch die Klempnerarbeiten an der neuen St. Marien-Kirche ausgeführt.
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24.07.2014: | Neuigkeiten über Jan (Joan Erik) Hissink
Spoiler
[caption id="attachment_11146" align="alignright" width="200"] Gefallenentafel der Bordgemeinschaft der Emdenfahrer[/caption] Herr Jan Hissink hatte sich für die Offizierslaufbahn bei der Marine entschieden. Er fiel als Oberleutnant zur See am 04. September 1939. Am 01. September 1939 fand der Überfall auf Polen statt. Am 03. September 1939 erklärten Frankreich und Großbritannien im Rahmen ihrer Beistandsverträge mit Polen Deutschland den Krieg. Am 04. September 1939 erfolgte ein britischer Luftangriff auf Wilhelmshaven. Dabei kam Herr Jan Hissink zusammen mit weiteren Besatzungsmitgliedern des leichten Kreuzers „Emden“ ums Leben. Es waren die ersten Gefallenen der Kriegsmarine im Zweiten Weltkrieg. „DER LANDSER“ Nummer 157, Seite 20/21: „Das Bomber-Comand verlor keine Zeit, den Versuch eines solchen Luftangriffes auf Kriegsschiffe gleich nach Kriegsausbruch vorzubereiten und auszuführen. Schon am 3. September, dem Tag der Kriegsklärung, flog ein Blentheim-Bomber, navigiert von einem Seeoffizier als Beobachter, zur Aufklärung über der Helgoländer Bucht. Er beobachtete Schiffe, die offensichtlich aus Wilhelmshaven ausliefen. Auf seine Meldung hin wurden 55 Bomber zum Angriff gestartet, die jedoch die gemeldeten Schiffe nicht fanden. Der gleiche Aufklärungsbomber flog am nächsten Tag, dem 4. September, seine zweite Aufklärung. Diesmal meldete er die Anwesenheit von Schweren Einheiten sowohl auf Schilling– und Wilhelmshaven-Reede als auch bei Brunsbüttel, dem Westende des Kaiser-Wilhelm-Kanals. 14 Vickers-Wellington-Bomber wurden als erste Angriffswelle gestartet. Ihnen folgten unmittelbar danach 15 Bristol-Blentheim-Bomber als zweite Welle. Aus mehreren Ausgaben der Zeitschrift „Die Yacht“ aus den Jahren 1901-1931 ergibt sich, dass die Familie Beringer/Hissink aktive Segler und Mitglied im „Verein Seeglerhaus am Wannsee“ (V.S.a.W.) waren. Der Großvater, Kommerzienrat Emil Beringer, war Eigner der Segelyachten „Pinguin“ (erbaut 1901 Neptunswerft, Rostock) und „Pinguin II“ (Kreuzeryacht Klasse IV). Unter der Produktbezeichnung „Pinguin“ vertrieb das Familienunternehmen A. Beringer, Chemische Fabrik auch eine streichfertige Lackfarbe für Boote. Sein Vater, Jacobus Hissink, war Eigner der 6-Meter-Segelyacht „Hertha“ und später der „Hertha II“. Ein Verwandter, Christian August Beringer, Am Rupenhorn 16, war ebenfalls Segler und zudem auch im Modelbootbereich aktiv und veranstaltete über den Deutschen Segelverband Preisausschreiben. Offensichtlich wurde auch Jan Hissink in seiner Kindheit ans Segeln herangeführt, denn im August 1939, nur eine Woche vor Kriegsausbruch, nahm Jan Hissink noch an der Starboot-Weltmeisterschaft in Kiel teil. Allerdings wurde er mit seinem Boot „Perseus“ nach einer Kollision disqualifiziert. (Quelle: „The first race started off with a collision on the starting line, and when the smoke cleared away, we found Perseus, sailed by Oberleutnant Hissink, withdrawn, having been on the port tack.“ und „Perseus gambled on a port tack, and although Oberleutnant Hissink did some beautiful sailing to come in first, he was disqualified.“ und Quelle: Die Yacht 1939: „Der Start war nicht in allem ganz glücklich. An der „Undine“ drängte sich eine Gruppe zusammen und eines der Boote, der deutsche Star „Perseus“ (Mannschaft: Oberleutnant z. See Hissink und Leutnat z. S. Harms) fuhren die Kieler „Müggel“ an (Dr. Hansohm und Christian Blankenburg) an, die nun mit einem fast fausgroßen Loch im Rumpf in das erste Meisterschaftsrennen gehen mußte, während die „Perseus“ ausschied.) Angekündigt war das Team Hissink mit Oberleutnant zur See Bertelsmann, angetreten ist dann aber das Team Hissink mit Leutnant zur See Harms, möglicherweise könnte, es sich hierbei um Hans-Joachim Bertelsmann und Otto Harms gehandelt haben. [caption id="attachment_11172" align="alignright" width="200"] Mai 1938, Forschungsschiff Meteor (I) in Santa Cruz de Tenerife[/caption] Von Januar bis Juli 1938 nahm er, ebenfalls im Rang eines Oberleutnants zur See, als WO und AO an der Zweiten Teilfahrt der Nordatlantik Expedition des Forschungs- und Vermessungsschiff Meteor (I) teil. Bei dieser Fahrt wurde die Große Meteor Bank (Grafik) entdeckt, ein Seamount oder Seeberg. Aus der Tiefsee steigt dieser unterseeische, ehemalige Vulkan aus ca. 4000 m Tiefe bis ca. 300m unter dem Meeresspiegel auf. Seine abgeflachte Kuppe hat die gewaltige Fläche von knapp 1200 km². Er liegt in der Nähe des Atlantischen Rückens, südlich der Azoren und westlich von Madeira und den Kanarischen Inseln bei ungefähr 30°N und 28°30’W. Außerdem wurde die südliche Echo Bank (25° 23′ N 19° 26′ W) vollständig neu ausgelotet. Aber auch diese Teilfahrt diente der Kriegsmarine, es sollte zum Beispiel festgestellt werden, wie sich Ankerminen in Seegebieten mit Gezeiten verhalten und wo sich submarine Bänke befinden, an denen automatische Wetterstationsbojen befestigt werden können. Die Meteor unterstand außerdem auch der Kriegsmarine. (Quelle) 1933 war er Seekadett auf dem Kreuzer Köln (Bericht Linientaufe am 02.03.1933, Besatzungsliste, Seite 52). Er gehörte zu den Geretteten des am 26.07.1932 vor Fehmarn gekenterten Segelschulschiffs Niobe. Bordgemeinschaft der Emdenfahrer:
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25.07.2014: | Neues zum Jaczoturm:
Herr Emil Beringer ist als Erbauer des Turmes anzusehen. |
25.08.2014: | Neuigkeiten über die Herkunft von Herrn Jack Hissink
Spoiler
Der Chronik des Familienverband Luyken habe ich entnommen, dass Herr Jack Hissink eine Schwester hatte. Frau Lientje Hissink. Aus dem Chronikblatt für das Jahr 1925, Seite 237/238, ergibt sich außerdem, wer die Eltern von Herrn Jack Hissink sind:
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27.08.2014: | Neuigkeiten zu den an der St. Marien-Kirche zu Spandau verbauten Ziegelsteinen |
14.03.2016: | Das „Beringer – Albrecht der Bär-Wappen“ am Jaczoturm |
19.02.2017 | Mir ist noch eine weitere Veröffentlichung in die Hände gefallen, und zwar vom Stadthistoriker Herrn Jürgen Grothe in „Spandau im Wandel der Geschichte„, erschienen im Jahr 2000. Die Beschreibung enthält jedoch keine eigenen Forschungsergebnisse, sondern gibt nur in eigenen Worten die bereits veröffentlichten Beschreibungen wieder, und zwar offensichtlich jene von Harry Neels aus dem Jahr 1999, ohne aber, dass dieser als Quelle benannt wird. Auch von ihm wird daher als Erbauer fälschlich ein angeblich „bis heute unbekannt“ gebliebener Spandauer Bürger angegeben. Dafür enthält sein kleines Kapitel noch ein Foto des Türmchens aus dem Jahre 1968. |
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