Abgeordnetenhaus – Drucksache 18 / 13 520
- Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katalin Gennburg und Marion Platta (LINKE) vom 15. Februar 2018
- Antwort der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz vom 06. März 2018
zum Thema:
Waldumwandlung in Berlin
Frage 1: Wie viele Flächen des Berliner Waldes sind in Landeseigentum, in Privateigentum, in Eigentumgemeinnütziger Stiftungen und wie werden diese verwaltet und bewirtschaftet (etwa durch Bewirtschaftungsverträge)?
Antwort zu 1:
Von den ca. 16.400 Hektar (ha) Waldfläche in Berlin bewirtschaften die Berliner Forsten ca. 16.000 ha innerhalb Berlins (konkret 15.979,50 ha). Weitere 135,67 ha Wald sind dem Land Berlin bereits zugeordnet (Rückübertragung), aber noch nicht dem Fachvermögen der Berliner Forsten.
Auf Flächen der Berliner Wasserbetriebe wachsen innerhalb der Schutzzonen um die Trinkwassergewinnungsanlagen ca. 58 ha Wald. Die Bundesforsten als Teil der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sind für ca. 123 ha Wald in Berlin zuständig.
Statistische Erhebungen über andere Waldeigentümer werden im Land Berlin nicht geführt.
Frage 2: Welche Unterschiede gibt es zwischen Forst und Stadtwald?
Antwort zu 2:
Die Bezeichnung „Forst“ beschreibt im allgemeinen Sprachgebrauch Waldflächen, die aufgrund ihrer Entstehung (i.d.R. Pflanzung) und Bewirtschaftung stark antropogen geprägt sind; dem würden begrifflich „Naturwälder“ nicht entsprechen. Der Begriff „Stadtwald“ wird umgangssprachlich eher für Waldflächen im urbanen Raum gebraucht (bundesweit gesehen in der Regel in kommunalem Eigentum).
Frage 3: Welche Wälder sind nicht den Berliner Forsten unterstellt, sondern den Bezirksämtern oder landeseigenen Betrieben?
Antwort zu 3:
Gemäß Landeswaldgesetz Berlin (LWaldG Bln) sind Waldflächen im Eigentum des Landes Berlin durch die Berliner Forsten zu bewirtschaften. Diese Waldflächen sind dem Fachvermögen der Berliner Forsten zugeordnet. Da der Waldbegriff den faktischen Zustand auf einer Fläche umfasst, können auch Waldflächen durch das Wachstum von Baumpflanzen und der natürlichen Entwicklung auf Flächen neu entstehen (Sukzession). Einzelne Flächen mit Waldaufwuchs liegen daher auch z.B. im Vermögen von Betrieben und Institutionen des Landes – siehe dazu Antwort zu Frage 1.
Frage 4: Worin unterscheiden sich Parks mit starkem Baumbewuchs (etwa der Volkspark Prenzlauer Berg) und Wald?
Antwort zu 4:
Eine Fläche als Grün- und Erholungsanlage gemäß Grünanlagengesetz gewidmete Fläche kann nicht gleichzeitig Wald i.S. des Landeswaldgesetzes Berlin sein. Der Zustand der Fläche – z.B. Waldcharakter durch Bewuchs mit typischen Waldbäumen – ist dabei nicht relevant.
Frage 5: Wie viele Waldflächen sind seit 2006 (seitdem kann auch ein rechtsverbindlicher Bebauungsplan die Waldumwandlungsgenehmigung einschließen, sofern dieser die erforderliche forstrechtliche Kompensationregelt) auf der Grundlage eines Bebauungsplanes umgewandelt und gerodet worden (bitte Angabe in Zahl der Waldflächen und in Quadratmetern)?
Antwort zu 5:
Es wurden auf der Grundlage von sieben Bebauungsplänen seit 2006 insgesamt 65.546 m² Waldfläche in eine andere Nutzungsart umgewandelt.
Frage 6: Wer beurteilt und wie erfolgt die Einschätzung, dass Wald nur im notwendigen Umfang und nach Ausschöpfung von Innenentwicklungsmaßnahmen umgewandelt werden kann?
Frage 7: Wer behält den Überblick über die ganze Stadt und die Relevanz des Waldes für Klima, Erholung usw., wenn stets die Entscheidung über Walderhalt und Waldumwandlung dem konkreten Einzelfall vorbehalten bleibt?
Antwort zu 6 und zu 7:
Gemäß Landeswaldgesetz ist Wald in Berlin zu erhalten, nach Möglichkeit zu mehren und seine ordnungsgemäße Pflege zu sichern. Die Behörde Berliner Forsten ist zuständig für die Durchführung des Gesetzes, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die Grundlage für die Einschätzung und Bewertung von Anträgen zu Waldumwandlungen bilden planungsrechtliche Voraussetzungen einer Fläche im Zusammenhang mit stadtplanerischen Entwicklungszielen. Kennzahlen als Orientierung für Genehmigungsverfahren, wie z.B. ein angestrebtes Bewaldungsprozent auf lokaler oder regionaler Ebene existieren nicht. Somit ist die Einzelfallprüfung von Waldumwandlungen die Regel.
Frage 8: Fand für die Rodung von Waldflächen im Land Berlin der notwendige Ausgleich seit 2006 ausschließlich in Berlin statt? Wenn ja, auf welchen Flächen fand der Ausgleich statt? Wenn nein, wo fand er statt und wie hoch ist der Anteil der in Berlin geleisteten Kompensation?
Frage 9: Welche Waldaufwertung, welche gezielten Ersatzaufforstungen, welche Bereitstellung geeigneter Ersatzflächen und welche Biotopvernetzungen wurden in Berlin seit 2006 als Kompensation für Waldumwandlung geleistet (bitte maßnahmenscharf und in Quadratmetern auflisten)?
Antwort zu 8 und zu 9:
Es wurden ausschließlich im Land Berlin Ersatzflächen (im Bezirk Pankow zwischen der Siedlung Buch IV und der Panke 19.265 m² sowie im Bezirk Spandau an der Landesgrenze nördlich des Brunsbüttler Damms 6.800 m²) in das Fachvermögen der Berliner Forsten übertragen, um eine natürliche Waldentwicklung (Sukzession) einschließlich der Möglichkeiten für eine Biotopvernetzung zu ermöglichen. Ersatzaufforstungsflächen wurden von Privateigentümern nicht zur Verfügung gestellt.
Frage 10: Wie werden die Kompensationsmaßnahmen öffentlich dargelegt, so dass sie für die breite Bevölkerung nachvollziehbar sind?
Antwort zu 10:
Im Rahmen von Bebauungsplanverfahren, die z.B. eine Waldumwandlung rechtsverbindlich einschließen, wird die Öffentlichkeit zweimal formal beteiligt. Weitere informelle Beteiligungsmöglichkeiten werden zunehmend von den planaufstellenden Behörden und Verwaltungen angeboten. Grundsätzlich werden alle Kompensationsflächen im KompensationsInformationsSystem (siehe Fachinformationssystem der Berliner Verwaltung/FIS-Broker) entsprechend § 17 Abs. 6 Bundesnaturschutzgesetz veröffentlicht.
Frage 11: Wie wird der jeweilige Pflegeplan für Wald und für Ersatzflächen aus Waldumbaumaßnahmen dokumentiert und kontrolliert?
Antwort zu 11:
Sind Kompensationsmassnahmen z.B. im Rahmen von Bebauungsplänen verbindlich verfügt, erfolgt die fachliche Einschätzung und Begleitung durch die Berliner Forsten.
Frage 12: In wie vielen Fällen wurde seit 2006 eine Walderhaltungsabgabe geleistet, weil eine Realkompensation nicht geleistet werden konnte?
Antwort zu 12:
Seit 2006 wurden in 35 Fällen eine Walderhaltungsabgabe geleistet, da eine Realkompensation nicht möglich war.
Frage 13: Wie hoch waren die Einnahmen aus der Walderhaltungsabgabe, wurden sie zweckgebunden für den Wald ausgegeben, wofür (Pflege, Aufforstung) und wo (bitte maßnahmenscharf auflisten)?
Antwort zu 13:
Die Höhe der Walderhaltungsabgabe beträgt 1.796.485,90 € (Stand 21.02.2018). Bisl angsind 356.866,71 € für Flächenarrondierungen und -vorbereitungen ausgegeben worden (Entsiegelungen und Vorbereitung von Aufforstungsmaßnahmen im Forstamt Tegel, Flächenerwerb im LSG „Neue Wiesen“ und Ersteigerung von Flächen in den Gosener Wiesen im NSG Müggelspreeniederung Köpenick).
Frage 14: Wie hoch ist der ökologische Verlust einer Waldumwandlung u.a. bezüglich Wasserhaushalt, Bindungsfunktion und Sauerstoffverlust und ist dies in die Berechnung der Kompensationshöhe eingeflossen; welcher Kostenanteil verbleibt der Allgemeinheit?
Antwort zu 14:
Wird Wald in eine andere Nutzungsart umgewandelt, bildet der „Leitfaden zur Waldumwandlung und zum Waldausgleich im Land Berlin“ die Grundlage für die Berechnung der Kompensation in Fläche bzw. finanziellen Ausgleich. Dieses Berechnungsmodell versucht alle Parameter (Boden, Wasser, Klima, Luft) zu berücksichtigen, die bei einem Verlust von Wald zu bewerten sind.
Frage 15: Welche Zielwerte gibt es bezogen auf die Erholungsfunktion und andere Funktionen des Waldes bezüglich einer erforderlichen und erstrebenswerten Waldfläche pro Einwohner in Berlin?
Antwort zu 15:
Solche Zielwerte sind für das Land Berlin nicht formuliert.
Frage 16: Welcher Zeitplan ist gegenwärtig für die Erstellung des Stadtentwicklungsplans (StEP) Grüne Infrastruktur vorgesehen?
Antwort zu 16:
Die Abstimmungen zwischen den betroffenen Verwaltungen im Zusammenhang mit einem gesamtstädtischen Konzept Grüne Infrastruktur sind noch nicht abgeschlossen. Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz wird unter Beteiligung der Stadtgesellschaft eine Charta für das Berliner Stadtgrün erarbeiten. Geplant ist es, diese als Selbstverpflichtung Berlins und damit als verlässliche Balance zwischen der Sicherung und Entwicklung des Stadtgrüns und den baulichen Entwicklungspotentialen der Stadt bis Ende 2019 zu beschließen.
Frage 17: Um wie viele Wochen wurde das Verfahren nach dem Inkrafttreten des Wohnungsbaubeschleunigungsgesetzes – nach dem die Berliner Forsten nur noch Einvernehmens- und nicht mehr Genehmigungsbehörde ist und die Baugenehmigung eine Waldumwandlungsgenehmigung miteinschließt – verkürzt und wie viel Wald wurde in Folge des Wohnungsbaubeschleunigungsgesetzes beseitigt?
Antwort zu 17:
Ein Vergleich über die Dauer der einzelnen Baugenehmigungsverfahren vor und nach Inkrafttreten des Wohnungsbaubeschleunigungsgesetzes wird im Land Berlin nicht geführt. Seit 2016 wurde in fünf Einzelfällen eine Waldumwandlung mit einer Flächengröße von insgesamt 11.947 qm aufgrund der Bauordnung Berlin und des Landeswaldgesetzes genehmigt.
Berlin, den 06. März 2018
In Vertretung
Stefan Tidow
Senatsverwaltung für
Umwelt, Verkehr und Klimaschutz