Abgeordnetenhaus, Drucksache 18/21926
- Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marion Platta (LINKE) vom 18.12.2019
- Antwort der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz vom 06.01.2020
zum Thema
Klimaschutz durch Bodenschutz
Frage 1: Welche Berliner Verwaltungen und wissenschaftlichen Einrichtungen bzw. Institutionen beschäftigen sich im Zusammenhang mit Anforderungen an den Klimaschutz mit den Themen Speicherung und Bindungsfähigkeit von organischem Bodenkohlenstoff?
Neben der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz mit den Berliner Forsten beschäftigten bzw. beschäftigen sich nach Kenntnis des Senats die Humboldt-Universität zu Berlin und die Technische Universität Berlin mit diesen Themen.
Inwieweit sich andere wissenschaftliche Einrichtungen bzw. Institutionen des Landes Berlin mit der Thematik befassen, ist dem Senat nicht bekannt.
Frage 2: Welche Erkenntnisse hat der Senat über die Verbesserung bzw. Erhaltung der Bodenkohlenstoffvorräte in Berlin und Brandenburg, soweit dort Berliner Einrichtungen und Betriebe unbebaute Flächen bewirtschaften bzw. für die Flächenbewirtschaftung verantwortlich zeichnen?
Mit Abschluss des Forschungsprojekts „Natürliche Kohlenstoffspeicher in Berlin – NatKos“ in 2019, welches im Rahmen des Berliner Programms für Nachhaltige Entwicklung (BENE) durch die Humboldt-Universität zu Berlin bearbeitet wurde, liegen für Berlin Zahlen und der Vorschlag eines Stadtplanungsinstruments vor, welche perspektivisch für die klimagerechte Stadtentwicklung genutzt werden können. Die im Ergebnis des Projektes NatKos entwickelten Karten stellen berlinweit die organischen Kohlenstoffvorräte in Böden und Vegetation differenziert nach Nutzungstypen dar.
Mit dem Projekt wurden drei Karten entwickelt:
– Kohlenstoffspeicher der Böden Berlins,
– Kohlenstoffspeicher der Vegetation Berlins
– Natürliche Kohlenstoffspeicher Berlins (Böden und Vegetation).
Die Ergebnisse aus dem Projekt NatKos werden zzt. ausgewertet und es wird geprüft, ob die Karten perspektivisch in das GeoPortal Berlin bzw. in den Umweltatlas integriert werden können.
Im Rahmen des Stadtentwicklungsplans Klima (StEP Klima) ist die „Analysekarte Klimaschutz“ entwickelt worden, welche bisher lediglich die organischen Kohlenstoffvorräte für Grün- und Freiflächen zeigt.
Im Rahmen des Forschungsprojekts „Berliner Moorböden im Klimawandel“ (2011-2015) der Humboldt-Universität zu Berlin wurden die Berliner Moore erstmals flächendeckend nach einem einheitlichen Verfahren kartiert. Anschließend wurde ein Indikatoren- und Bewertungssystem für verschiedene Ökosystemleistungen von Moorböden für urbane Räume am Beispiel Berlins entwickelt.
Zusätzlich zur Umweltatlaskarte 01.19.1, die alle Berliner Moorgebiete und ihre Bodentypen zeigt, werden als weiteres Ergebnis des Projektes die Kohlenstoffvorräte der Moore in der Umweltatlaskarte 01.19.2 dargestellt.
Des Weiteren hat die Studie „Der Beitrag der Berliner Wälder zum Klimaschutz Berlins“ der Berliner Forsten aus dem Jahr 2017, die durch das Thünen-Institut für Waldökosysteme erstellt wurde, folgende Ergebnisse gezeigt:
Die Berliner Wälder mit einer Fläche von ca. 16.000 ha innerhalb der Stadtgrenzen und ca. 12.500 ha im Berliner Umland werden bereits lange naturnah bewirtschaftet. Diese kahlschlagfreie, auf dauerwaldartigen Strukturen vorgenommene Bewirtschaftung ist bestands- und bodenschonend und bewirkt eine kontinuierliche Verbesserung des Bodenzustandes in Bezug auf organische und anorganische Faktoren. Zu den Kohlenstoffvorräten in Berliner Wäldern gibt es aus dieser Studie folgende Aussage:
„Die Berliner Wälder bevorraten heute insgesamt (Biomasse und mineralischer Boden) etwa 10,972 Mio. t CO2. Weiterhin entziehen sie der Atmosphäre kalkulatorisch derzeit jedes Jahr etwa 0,335 Millionen Tonnen CO2, wovon etwa ein Viertel auf eine Zunahme von Kohlenstoff im Boden entfällt, ein weiteres Viertel durch den in Holz im Wald angelegten (und dort verbleibenden) Zuwachs generiert wird und gut die Hälfte aus der Substitutionsleistung des geernteten Holzes entsteht (Substitutionspotenzial: 1,15 t C je t C im Einschlag). Die Gesamtleistung wird zu etwa 55 % innerhalb der Stadtgrenzen realisiert, 45 % tragen die Berliner Wälder im brandenburgischen Umland bei.“
Die Studie ist der Ausgangspunkt für eine periodisch zu wiederholende Betrachtung der Kohlenstoffvorräte in Berliner Wäldern
(Quelle zum Download: https://www.berlin.de/senuvk/forsten/walderhaltung/).
Frage 3: Wie wird bei der Umnutzung und Versiegelung von Flächen in Berlin das Berliner Bodenschutzgesetz zur Abwägung von Entscheidungen herangezogen und auf welche Weise wird bei der Ermittlung von Ausgleichsmaßnahmen die Veränderung der Speicherung von organischen Bodenkohlenstoff bisher unversiegelter und bewachsener Böden berücksichtigt?
§ 1 Abs. 2 Bln BodSchG sieht lediglich vor, dass Behörden und sonstige Einrichtungen des Landes Berlin sowie die landesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die nicht am Wettbewerb teilnehmen, bei Planungen, Baumaßnahmen und sonstigen eigenen Vorhaben vor der Inanspruchnahme von nicht versiegelten, baulich nicht veränderten oder unbebauten Flächen zu prüfen haben, ob stattdessen eine Wiedernutzung von ehemals genutzten oder bereits versiegelten, baulich veränderten oder bebauten Flächen möglich ist.
Insofern können die Bodenschutzbelange vornehmlich in der Bauleitplanung im Rahmen der Abwägung gem. § 1 Abs. 6 Nr. 7 a) Baugesetzbuch (BauGB) beachtet werden. In der Abwägung treten sie gleichwohl regelmäßig hinter den anderen meist wirtschaftlichen Belangen gem. § 1 Abs. 6 Nr. 8 BauGB zurück. Dies führt in der Praxis nicht zur Verhinderung von Flächenneuversiegelungen, sondern höchstens zum teilweisen Erhalt bestimmter Bodenfunktionen gem. § 2 Abs. 2 BBodSchG.
Die Ermittlung und Festlegung von naturschutzfachlichen Ausgleichsmaßnahmen im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) erfolgt im Land Berlin auf der Grundlage des „Berliner Leitfadens zur Bewertung und Bilanzierung von Eingriffen“ (Stand: November 2017). Dabei wird die Veränderung der Böden anhand der Bodenfunktionen bewertet und damit indirekt die Speicherung von organischem Bodenkohlenstoff unversiegelter und bewachsener Böden berücksichtigt.
Frage 4: Wie hat sich die Veränderung der Flächennutzung in Berlin durch die Versiegelung von 700 ha in den letzten 5 Jahren (Angabe siehe Newsletter „Entsiegelungspotenziale“ Nr. 01/ März 2019 SenUVK Bodenschutzreferat) auf die Kohlenstoffbilanz ausgewirkt bzw. mit welchen Auswirkungen rechnet der Senat?
Bisher wird vom Senat die Veränderung der Kohlenstoffbilanz durch Ver- und Entsiegelung nicht berechnet. Dass es eine Veränderung der Kohlenstoffbilanz durch eine zunehmende Versiegelung, ohne die entsprechende Entsiegelung als bodenschutzfachlichen Ausgleich gibt, ist dem Senat bekannt.
Frage 5: Gibt es darüber hinaus Einschätzungen über zusätzlich mögliche Menge an speicherbarem Kohlenstoff, wenn die bereits festgestellten Entsiegelungspotenziale in den Berliner Bezirken (potentielle Wald-, Grün- und Freiflächen, Kleingärten, Parks und naturnahe Gewässerrandstreifen) gehoben werden könnten? Wenn ja, bitte darlegen. Wenn nein, wann werden diese Betrachtungen durch wen für den Klimaschutz vertieft?
Mit der Novelle des Berliner Bodenschutzgesetzes (Bln BodSchG), die am 18.09.2019 in Kraft getreten ist, hat der Berliner Landesgesetzgeber unter anderem die Einführung einer Ermächtigungsgrundlage zur Erstellung einer Bodenschutzkonzeption geschaffen. Mit der Berliner Bodenschutzkonzeption soll ein Strategiepapier entwickelt werden, welches insbesondere dazu dienen soll, den Bodenschutz in der Bauleitplanung stärker in den Fokus zu rücken. Die Bilanzierung von Kohlenstoffgehalten in Böden wird dabei eines der Schwerpunktthemen sein, die aufzuarbeiten und auszuwerten sind. Im Jahr 2020 wird ein Auftrag zur Erstellung einer Bodenschutzkonzeption für das Land Berlin ausgeschrieben und vergeben werden.
Frage 6: Wird der Senat das vorhandene Bodeninformationssystem durch eine Datenbank ergänzen, die Angaben über den durchschnittlichen organischen Bodenkohlenstoffgehalt der Flächen in Abhängigkeit der Bodennutzung enthält? Wenn nein, warum nicht?
Das vorhandene Bodeninformationssystem beinhaltet bereits eine Datenbank mit Angaben zum organischen Kohlenstoffvorrat (Umweltatlaskarte 01.06.6, Stand: 2018), der Angaben zur Humusmenge (Umweltatlaskarte 01.06.5, Stand: 2018) auf Basis der Flächennutzung zugrunde liegen (vgl. Umweltatlas-Begleittext 01.06 Bodenkundliche Kennwerte, Stand: 2018). Ergänzend dazu wurden im Rahmen des NatKoS-Projektes stichprobenhaft nutzungsbezogene organische Kohlenstoffgehalte in Böden ermittelt und anhand der Flächennutzungskarte auf die gesamten Flächen des Landes Berlin hochgerechnet. Wie unter der Antwort zu Frage 2 dargelegt, wird aktuell geprüft, ergänzend zum bestehenden Datensatz, auch diesen Datensatz in den Datenbestand des Umweltatlas aufzunehmen.
Frage 7: Welchen Stellenwert hat der Bodenschutz für den Senat im Zusammenhang mit dem Klimaschutz und durch welche Maßnahmen wird dieser Stellenwert unterstrichen?
In den Richtlinien der Regierungspolitik 2016-2021 sind an vielen Stellen die Maßnahmen zum Klimaschutz beschrieben, von daher ist schon der hohe Stellenwert, den der Senat im Klimaschutz sieht, abzuleiten.
Auch daraus resultiert, dass die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz in den Maßnahmen zum vorsorgenden Bodenschutz einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz sieht.
So beschreibt das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm 2030 (BEK 2030) zwei im BEK 2030 dargestellte Maßnahmen, die unmittelbar den Bodenschutz betreffen:
– AFOK UN-1 (Berücksichtigung der Belange des vorsorgenden Bodenschutzes in der räumlichen Planung),
– AFOK UN-2 (Bodenmonitoring: Einrichtung von innerstädtischen Bodendauerbeobachtungsflächen).
Mit Blick auf die im BEK 2030 vorgesehene Bodendauerbeobachtung hatte sich weiterer Forschungsbedarf ergeben. Das Projekt der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO) zum Thema „Bodendauerbeobachtung im urbanen Bereich“ wurde 2019 abgeschlossen. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass die Einrichtung von Bodendauerbeobachtungsflächen (BDF) auch im urbanen Bereich grundsätzlich möglich und zielführend ist, jedoch muss die vorliegende, auf ländliche Räume zugeschnittene Konzeption zur Einrichtung und Betrieb von BDF zunächst an die städtischen Besonderheiten angepasst werden. Darüber hinaus wird weiterer Forschungsbedarf hinsichtlich der in urbanen Böden stattfindenden Prozesse und deren Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima gesehen.