Hochschulsportplatz im Jagen 60
Mit meinem „Lauftreff Grunewald“ habe ich den Platz auf dem Weg zum Dahlemer Feld oder zum Franzosenweg oft überlaufen und erst später angefangen, mir etwas Gedanken über diesen mitten im Wald gelegenen und somit etwas merkwürdigen “Bolzplatz” zu machen.
Denn wer sich heute den Ort anschaut muss zweimal hinschauen um zu erkennen, dass es einmal eine etwas größere Anlage war. Von dem ehemaligen Sportplatz ist heute nur noch ein Bolz-Fußballplatz erkennbar, welcher aber vom Geländezustand her nicht mehr als solcher genutzt werden kann, da man sich dort sofort die Füße verstauchen würde, weil der Boden uneben ist. Auf dem Platz stehen – und das ist das markanteste Merkmal – zwei Fußballtore, jedenfalls sollen dies die aus alten Baumstämmen zusammengesetzten und mit stabilen Zaundraht bespannten Tore symbolisieren. Eines der Tore war im Oktober 2011 sogar neu bespannt. Irgendjemand hält also die Erinnerung daran wach, dass dies einmal ein Sportplatz war.
- Am östlichen Kopfteil des Platzes steht, versteckt hinter Bäumen und Büschen, ein Wohnhaus, welches etwa aus dem Jahr 1920 stammt.
- Das es nördlich von diesem Wohnhaus einmal weitere Gebäude gab, ist aus mehreren rechteckigen Bodenkuhlen ersichtlich.
- Der Sportplatz selbst ist an den beiden Stirnseiten, sowie an der südlichen Längsseite, von einem kleinen Sandwall umgeben.
- An der westlichen Stirnseite, also auf der gegenüberliegenden Seite, wo das Wohnhaus steht, befindet sich im Wald ebenfalls eine rechteckige Bodenkuhle.
- An der gesamten nördlichen Längsseite erschließt sich ein hübsches, lichtdurchflutetes Wäldchen aus Birken und Kiefern. Dieses Wäldchen hat in etwa die Größe des ehemaligen Sportplatzes und ist an seinen Rändern durch in Reihe gepflanzte Eichen vom umliegenden Wald, so ist auch heute noch sichtbar, abgegrenzt.
Alten Karten ist zu entnehmen, dass es sich bei diesen Ort um einen ehemaligen Sportplatz der Berliner Hochschulen handelt. Um welche Hochschulen, ist mir bisher nicht bekannt. Vielleicht u.a. die “Deutsche Hochschule für Leibesübungen” in Berlin, aber das ist spekulativ, denn diese wurde erst 1920 gegründet, während auf meinen Karten der Platz bereits ab 1918 auftaucht (1910 noch nicht).
Herausgefunden habe ich, dass der Platz außerdem während der Zeit des Nationalsozialismus umfangreich von der Hitlerjugend als Zeltlager genutzt wurde. In einem Stadtplan aus dem Jahr 1981 habe ich außerdem die Bezeichnung “Jugend-Zeltplatz” gefunden, nachdem in alten Karten verschiedentlich auch “Spielplatz” genannt wird.
In den mit vorliegenden Karten nach ca. 1933 taucht der Name “Hochschulsportplatz” jedoch nicht mehr auf.
In einer Debatte im Berliner Abgeordnetenhaus vom 02. August 1955 wird hingegen auch der Sportplatz im Jagen 82 als Hochschulsportplatz bezeichnet:
“…der ehemalige Hochschulsportplatz Charlottenburg, der jetzt nicht einheitlich genutzt ist und im wesentlichen alte Barackenfundamente aufweist…”.
Heute wird die Sportanlage im Jagen 82 (verlängerte Harbigstraße) von TuS MAKKABI genutzt und diesbezüglich 2007 von „Sportanlage Eichkamp“ in „Julius-Hirsch-Sportanlage (Eichkamp)“ umbenannt.
Pure Vermutung meinerseits, aber vielleicht mussten die Hochschüler im Dritten Reich den Platz im Jagen 60 räumen bzw. in den Jagen 82 umziehen, weil die direkt im Grunewald gelegene Anlage von der Hitlerjugend benötigt wurde? Die drei Fotos unten zeigen jedenfalls, dass der Platz während der Belegung durch die Hitlerjugend wohl kaum noch durch eine Hochschule genutzt werden konnte.
Am Rande des Platzes befindet sich eine alte, abgestorbene markante Eiche (siehe Galerie) sowie in der Nähe Mortzfeldt’sche Buchen-Löcher. (siehe Luftbild 1928).
Falls jemand mehr über den Platz weiß …..
Fortsetzung:
….mehr über den ursprünglichen Zweck des Platzes konnte ich dann erst viele weitere Jahre später, im Juni 2020, erfahren, aus einem Artikelbericht im Zentralblatt der Bauverwaltung. Demnach wurde der Platz ab dem Jahr 1912 angelegt und am 26. Mai 1914 eingeweiht.
1914 – Der Turn und Spielplatz für die Berliner Hochschulen im Grunewald
Zentralblatt der Bauverwaltung vom 27.06.1914 (Auszug), Abbildungen siehe Galerie: Um auch der Berliner studierenden Jugend Gelegenheit zum Turnen und zum Sport zu geben, wurde vor zwei Jahren vom Staate der Unterrichtsverwaltung im Grunewald ein 10 ha großes Gebiet als Turn- und Spielplatz für die Studierenden der Berliner Hochschulen überweisen. Das Gelände liegt mitten im Walde (Abb. 8), im Jagen 60 und 61, […] Das Gebiet ist von der Forstverwaltung unentgeltlich hergegeben und fällt an sie zurück, sobald es für die Zwecke der Unterrichtsverwaltung nicht mehr gebraucht wird. Bei einer etwaigen Veräußerung des Dauerwaldgebiets durch den Forstfiskus an den Verband Großberlin bleibt diese Fläche ausgeschlossen. Die Verwaltung des neuen studentischen Spielplatzes beruht auf dem einmütigen Zusammenwirken von Professoren und Studentenschaft. Sie liegt in den Händen eines Kuratoriums, das aus 22 Professoren und 11 Studierenden der verschiedenen Hochschulen besteht, […] Auf dem neuen Hochschulplatz sollen in erster Linie die volkstümlichen Turn- und Sportarten geübt werden, […] Um den Baumbestand zu schonen, wurde als Platz eine Schonung ausgesucht, auf der, ohne daß viel Kiefern gefällt zu werden brauchten, das Stadion mit seinen Zuschauertribünen und die Grünflächen für die Spielplätze angelegt werden konnten. Um die Schonung herum wurde das 10 ha große Platzgebiet abgesteckt, und in die stehengebliebene Waldfläche wurden die kleinen Baulichkeiten, wie das Pförtnerhaus, der Geräteschuppen, die Unterkunftshalle und schließlich alles Übrige verwiesen, […] Im Juni 1912 wurde das Gelände […] übergeben […] die Bauten wurden im Sommer 1913 begonnen. Gespielt wurde auf dem Platz bereitsseit vorigem Sommer, unter Schonung der frisch gesäten Flächen. [… Es ist angenommen, daß der Spielplatz – wie in England und Amerika – nur von männlichen Studierenden benutzt werden wird und daß für die weibliche adademische Jugend ein besonderer Spielplatz in absehbarer Zeit eingerichtet werden wird. […] Das von den Charlottenburger Wasserwerken gelieferte Wasser wird in einem über 1 km langen Rohrnetz, das frostfrei im Erdboden liegt, verteilt. […] Die Einweihung des neuen Hochschulplatzes erfolgte am 26. Mai 1914 in Gegenwart des Kaisers durch eine akademische Festfeier, verbunden mit dem 111. Berliner Akadamischen Turn- und Sportfest.
1933 und 1937 Hitlerjugend und Opera Nazionale Balilla
Leider sind diese Bilder aus dem Bundesarchiv nicht kostenfrei, daher hier nur der nicht erlaubnispflichtige Direktlink: Bild 102-14640: „Vorbeimarsch der Großdeutschen Jugend vor ihrem Führer Exzellenz v. Trotha, anläßlich der Skagarrak-Gedächnisfeier.“
Bild (102-15638)/ Lizenz Creative Commons 3.0 by-sa der Wikipedia Commons: „Der kleine Hitler-Tambour auf dem Rücken seines Kameraden leitet das Sportfest ein.“
Was die HJ für eine riesige “Macht-Krake” gewesen sein muss, dem sich wohl kaum ein Kind entziehen konnte, verdeutlichen die folgenden Bilder des Fahneneinmarsches bei den Jugendvorführungen des XI. Olympische Sommerspiele 1936 auf dem Maifeld, sowie die HJ-Aufmärsche am 01. Mai 1937 und 1938 im Berliner Olympiastadion: Bild 183-1995-073-11A
Bild 102-14639: “ Exzellenz v[on]. Trotha, schreitet die Front der bündischen Fahnen und Standarten ab.“
Bild 102-02353A: „Eine große Skagerrak-Gedenkfeier des Großdeutschen Bundes, fand unter Anwesenheit des Stabschef der Hochseeflotte und Führers des Großdeutschen Bundes Exzellenz v[on]. Trotha vor 2000 Jungen des Großdeutschen Bundes im Zeltlager der Jugend in Grunewald statt !“
Bild 102-14641: „Lagerleben in der Zeltstadt der bündischen Jugend im Grunewald, wo 2000 Jungen in 150 Zelten ein buntes Lagerleben führen.“
Weitere nicht kostenfreie Bilder, daher hier nur nicht erlaubnispflichtige Direktlink zum Bundesarchiv:
Bild 102-15641: „Sportfest der Hitlerjugend auf dem Hochschulsportplatz in Berlin-Grunewald. Über 3000 Hitlerjungen nahmen daran teil ! Über 600 Hitlerjungen beim Start zu dem großen Gebiets-Waldlauf auf dem Hochschulsportplatz in Berlin-Grunewald.“
Bild 102-15642: „Die Mannschafts-Sieger werden nach dem großen Gebiets-Waldlauf von der Führung eingetragen.“
Bild 102-15639: „Ein lustiger Moment aus den Reiterspielen der Hitlerjugend auf dem Hochschulsportplatz in Berlin-Grunewald.“
Bild 146-1995-073-11A
Bild 183-C06292
Bild 102-18096
Bild 183-H05599
Bild 102-17818
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1951 – Jugend-Zeltlager
„Mit vielen Jugendlichen aus Schwerin und einigen Freunden aus Grevesmühlen zusammen nehme ich im Juli 1951 am legendären Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin teil, der noch gesamtdeutsch über die Sektorengrenzen hinweg gefeiert wird. Es ist ein überwältigendes Ereignis. Wir Mecklenburger übernachten in einem Zeltlager im Grunewald im Jagen 61 und fahren täglich mit der S-Bahn zu den großen Veranstaltungen in die Stadt.“ (Quelle: Internet /Zeitzeugen-Bericht von Jürgen Ruszkowski (Jahrgang 1935))
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Galerie: