Franzosenweg und Franzosenort

Ich habe diesen Wegenamen erstmals ab dem Jahr 1999/2000 von anderen Läufern gehört. 2005 stellten wir uns bei einem Lauf die Frage:

  • Warum heißt der Franzosenweg eigentlich Franzosenweg?

Lange Gesichter! Nach ersten Überlegungen (vielleicht gab es dort einmal ein Heerlager oder Aussichtspunkt der Franzosen auf dem Havelberg (immerhin die höchste natürliche Erhebung im Grunewald) hier die Antwort:

  • Kein Beobachtungsstützpunkt und auch kein Heerlager, sondern ganz profaner Waldbau.

Charles Meynier: Einzug Napoleons an der Spitze seiner Truppen durch das Brandenburger Tor am 27. Oktober 1806

Nach der Niederlage der Preußischen Armee gegen die französischen Truppen von Napoleon Bonaparte am 14. Oktober 1806 bei der Schlacht bei Jena und Auerstedt, wurde Berlin von den Franzosen besetzt. Am 27. Oktober 1806 zog Napoleon durch das Brandenburger Tor.  Erst nach der Ratifikation eines Abkommens mit Frankreich zur Umsetzung des Tilsiter Friedens, zogen die Franzosen im Dezember 1808 aus Berlin ab. Der Frieden von Tilsit war ein Auslöser für grundlegende Reformen des Staates Preußen.

Die Stadt und die Festung Spandau waren zweimal von den Franzosen besetzt. Nach der – zum Glück – kampflosen Übergabe der Spandauer Zitadelle zunächst vom 25. Oktober 1806 bis zum 27. November 1808 und, nach Napoleons gescheiterten Russlandfeldzug, dann nochmals vom 26. März 1812 bis zum 27. April 1813.

  • Aus der Zeit von 1806 – 1808 stammen im Grunewald die Ortsangaben „Franzosenweg“ und „Franzosenort“.
  • Aus der Zeit von 1813 stammt im Grunewald die Ortsangabe „Russenbrücke„.

Eine Landkarte aus dem Jahr 1863 weist eine „Franzosen Schonung“ aus, diese befindet sich beideitig des „Kronprinzessinn Weg“. Spätere Karten geben die Bezeichnung Franzosen-Gestell, Franzosenort und Franzosenweg an. Die Ortsangaben hierfür liegen westlich des Kronprinzessinnenwegs (unter anderem in Höhe des heutigen Sprengplatzes) und am Havelberg.

Die „Russenbrücke liegt an der Alten Spandauer Poststraße zwischen dem Postfenn und dem Teufelsgraben bzw. dem Torfgraben. Direkt am Wegesrand befindet sich ein alter „Blitzbaum„. Der letzte Eintrag mit dieser Ortsangabe in einer Landkarte stammt anhand meiner Sammlung aus dem Jahr 1955! Es ist zu vermuten, das die West-Berliner nach dem Mauerbau für eine „Russenbrücke“ im Grunewald nicht mehr viel übrig hatten.

Die Ortsnamen Franzosenweg und Russenbrücke drohen nach meiner Eischätzung in Vergessenheit zu geraten, ebenso wie „Nineveen“ und „Vier Eichen„.

 

 

1894 Fontane, Seiten 21 und 22:

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Der Name “Russenbrücke” rührt aus den Freiheitskriegen her: Hier stand, als im November 1812 die französische Armee  aus Rußland zurückflüchtete, eine russische Vorposten-Abteilung, die einen Theil des Belagerungsrings bildete, der um das von den Franzosen noch besetzte Spandau Spandau gezogen war. – Wie bei dieser Gelegenheit gleich erwähnt werden mag, stammt der den Jagen Nr. 65-69 beigelegte Name Franzosenort auch aus der Zeit vor den Freiheitskriegen. Die Franzosen sollen jenen Theil des Grunewaldes damals neu aufgeforstet haben.“

1902  Berdrow, Seite 11:
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…Rechts von uns erheben sich die Ränder des Havelberges; links liegen die als “Franzosenort” bezeichneten Jagen, so benannt , weil die Franzosen zur Zeit der besetzung Berlins (1807 – 1812) diesen Teil des Grunewaldes aufgeforstet haben sollen. Ein Teil dieser Jagen ist, um den Wild in dem vielbesuchten Forst einen ungestörten Zufluchtsort zu sichern, für das Publikum gesperrt…“
1957  Behm, Seite 96:
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Die Waldesruhe unseres Forstes wird gestört, als der Franzose in den Jahren 1806/08 [Geschichte Berlins / 6.1 Franzosenzeit 1806-1808] das Schicksal Berlins bestimmt. Von Kommandos der französischen wird im Grunewald abgeholzt, aber auch aufgeforstet. Verschiedene uns noch geläufige Ortsnamen im südlichen Grunewald (Franzosenort, Napoleonsweg) erinnern an dieses Geschehen. „Laßt das Holz nur dem König, er wird es zum Galgen für die Spitzbuben brauchen, die ihn verrieten!“ – soll ein französischer Kommandant einem damaligen Anwohner geantwortet habe, der sich anschickte das Versteck großer staatlicher Holzvorräte aus Eigennutz zu verraten.
Wenige Jahre später durchstreifen Vorposten der mit den Preußen verbündeten Russen den Grunewald. Sie lagern beim Postfenn etwa dort, wo ein damals noch wasserführendes und der Havel zustrebendes Fließ die alte Poststraße Spandau-Zehlendorf quert und eine (späterhin als „Russenbrücke“ fortlebende) Überbrückung geschaffen war. Die in Spandau sitzenden Franzosen und deren Verbündete, ein klägliches Heimkehrerüberbleibsel des verunglückten Rußlandfeldzuges, kapitulierten jedoch und zogen ab, nachdem das Spandauer Pulverlaboratorium und der Juliusturm in Brand geschossen waren. Ein Jahr später kehrte auch die von Napoleon entführte Quadriga des Brandenburger Tores nach Berlin zurück, nachdem sie nach ihrer langen Reise vorher noch einige Tage im Grunewald Jagdschloß lagerte.

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