Sechserbrücke

 

Die „Sechserbrücke“, eine Schiffbrücke, gibt es leider nicht mehr. Davon abgesehen weiß heute kaum noch jemand, dass es sie überhaupt einmal gab. Insofern ist es mir eine besondere Freude, die mir vorliegenden historischen Quellen über sie hier zu veröffentlichen:

 

 1883 Centralblatt der Bauverwaltung (14.04.1883 No. 15.), Redakteure Otto Sarrazin und Hermann Eggert, Text von Wasserbauinspektor Eugen Mohr (1839–1898) – Auszug -:

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„Die Insel Pichelswerder, einer der beliebtesten Sommerausflugsorte der Berliner, wird auf der einen Seite durch die Havel, auf der anderen durch den Stößensee, eine seitliche Erweiterung der Havel, vom Festlande getrennt.

Bis zum Anfang des vorigen Jahres wurde die Verbindung mit dem letzteren, und zwar einerseits mit Pichelsdorf, andererseits mit Pichelsberge und der Grunewald-Chaussee, durch Fährboote und eine kleine Drahtseilfähre unterhalten. Zu wie vielen Mißständen diese primitive Personenbeförderung Veranlasung gegeben hat, wird sofort einleuchten, wenn ausgeführt wird, daß beispielsweise an einem Sonntag ein einziges der hier gelegenen vier Vergnügungslokale die ansehnliche Zahl von etwa 4000 Gästen aufwies. Um der Unbequemlichkeit der bisherigen Verkehrsweise abzuhelfen und somit auch die Ertragsfähigkeit der Vergnügungsorte zu erhöhen, beschlossen die Besitzer, eine feste Verbindung des Werders mit dem Festlande durch Ueberbrückung des Stößensees herzustellen.


Die Bodenuntersuchungen, welche der Unterzeichnende, an den sich die Besitzer wegen des Entwurfs gewendet hatten, nunmehr ausführte, ergaben bei einer Tiefe von 18 m noch immer leichten Schlick, es erschien somit, da ein Massivbau durch die Beschränktheit der zur Verfügung gestellten Mittel von vornherein ausgeschlossen war, auch die Anwendung einer Pfahljochconstruktion unzulässig, und es wurde die Ausführung einer Pontonbücke beschlossen… das gelegene Vorhandensein eines billig zu erwerbenden Drahtseilkabels in unmittelbarer Nähe der Brückenbaustelle, veranlaßte den Unterzeichnenden, hier von der üblichen Befestigungsweise der Pontons [mittels zu teuren Anker und Ketten] abzugehen… konnten auch hier die Pontons durch Drahtseile verscheert werden; es war hier nur der Bedingung Rechnung zu tragen, daß ein mittlerer Theil der Brücke im Interese der Schiffahrt zum Ausfahren eingerichtet würde. An dem westlichen Ufer vermittelt den Uebergang zum schwimmenden Theil der Brücke eine feste Brücke von 25 m Länge… Die Gesamtlänge der Brücke zwischen den Bohlenwänden beträgt 150,2 m… Da der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser 2,21 m beträgt, so mußte der schwimmenden Brücke ein Heben und Senken in diesem Umfang gestattet werden…


Die Brücke hat einschließlich aller Nebenarbeiten 21 000 Mark gekostet… so wird man sich der Schlußfolgerung nicht entziehen können, daß diese Herstellungsart durchaus Nachahmung verdient…da…die neue Herstellung in der angegebenen wenig kostenspieligen Weise rechtfertigen dürfte.


Auch sei hier zu erwähnen nicht unterlassen, daß diese Construktion für militärische Zwecke von noch viel größerem Nutzen sein möchte, als dies bei den dem gewöhnlichen Verkehr dienenden Pontonbrücken der Fall sein wird. Bei solchen fliegenden Brücken im Kriege handelt es sich erstens um die Schnelligkeit des Aufbaues, zweitens um die Schnelligkeit des Abruches und drittens auch jedenfalls darum, bei dem schleunigen Abbruch so wenig Materialverlust wie möglich zu haben. Allen diesen Bedingungen dürfte aber durch die bisher bestehenden Construktionen keineswegs so vollkommen Rechnung getragen sein, als durch die hier vorliegende. Es wird nämlich möglich sein, an dem im Besitz der Operations-Truppe befindlichen Ufer die sämtlichen, zum Schlagen der Brücke erforderlichen Pontons, fix und fertig, am Drahtseile hängend, von der Baustelle aus längs dem Ufer aufzufahren und sofort, wenn das jenseitige Ufer vom Feinde gesäubert ist, durch Lösen des stromauf gelegten Kapptaues die Pontons an dem Drahtseil durch den Strom selbst nach dem jenseitigen Ufer hinüber treiben zu lassen und dort angemesen zu befestigen, wie das bei den Gierponten geschieht. Ebenso leicht wird das Abschwenken der Brücke durch einfaches Auslösen der am feindlichen Ufer befindlichen Schloßschrauben in dem Seilzuge geschehen können. Sonach schließt die Construktion einen Verlust an Material, abgesehen von der untergeordneten Vorrichtung zur Befestigung der Brücke, vollkommen aus…


Der vorliegende Entwurf wurde nach Angabe des Unterzeichneten von dem Regierungsbaumeister Lehmann bearbeitet. Die specielle Bauausführung war der Leitung des Regierungsbaumeisters Koss übertragen. Die Brücke ist im Juli 1882 dem Verkehr übergeben. / Mohr, Wasserbauinspector.“

1927 Wolter/Sommer/Klotz, Seite 134:

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Ursprünglich bestand zwischen dem Pichelsbergen und dem Pichelswerder, der im Laufe der Zeit zur Halbinsel verlandet ist, keine Verbindung. 1813 bauten die preußischen Truppen bei der Belagerung der Feste Spandau Schiffsbrücken von Pichelsdorf nach dem Werder und von hier nach den Pichelsbergen. Die meisten von uns werden sich noch der von Rupenhorn nach dem Werder führenden “Sechserbrücke” entsinnen, die von dem Besitzer der Wirtschaft Rackwitz unterhalten wurde.

Es folgt dann dort eine ausführliche Schilderung über den Bau des Heerstraßendamms über den Pichelswerder und durch den Stößensee  – siehe hier. Durch den Bau der Freybrücke und der Stößenseebrücke entfiel natürlich der Sinn für den Unterhalt der “Sechserbrücke”, diese wurde, nach den unten abgebildeten Karten zu schätzen, jedoch erst um/nach 1920 (!) abgerissen. Die Spandauer Künstler Hans Zank und Willi Gericke fertigten aus der Ferne am 02.05.1920 eine kleine Bleistiftzeichnung von ihr an.

Der Abriß erfolgte dann erst rund 10 Jahre nach der Fertigstellung der beiden Heerstraßenbrücken Freybrücke und der neuen und heutigen Stößenseebrücke (beide 1909). Eine Primärquelle über das genaue Baudatum und das genaue Abrissdatum der Sechserbrücke ist mir bisher nicht bekannt. Allerdings berichtete Ernst Retzlaff, Ehren-Kommodore des Segelvereins Segel-Club Ober-Havel (S.C.O.H.), in einem Zeitzeugenbericht vom 25.11.1959 für den Zeitraum 1924-27: “das der 94-jährige Gastwirt Rackwitz seine “Sechserbrücke” auf höhere Anordnung abreißen lassen musste”.

1994 Museum Spandau u.a., Ausflugslokale entlang der Havel, Seiten 44:

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1882 ließ er (Restaurant Rackwitz) eine Pontonbrücke vom Rupenhorn über den Stößensee zum Pichelswerder errichten, die im Volksmund “Sechserbrücke” genannt wurde, da jeder, der sie benutzte, eine Gebühr zu entrichten hatte. Ein angelegter Weg führte direkt zu dem Lokal.“

 

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