NABU reicht Eilantrag gegen Insektizideinsatz im Wald ein

Verwaltunsggericht Potsdam muss jetzt schnell entscheiden / NABU belegt: kein Absterben der Wälder durch Nonnen-Fraß

Der NABU Brandenburg hat in der vergangenen Nacht durch den Fachanwalt für Umweltrecht Thorsten Deppner beim Verwaltungsgericht Potsdam einen Eilantrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Der trotz des Zeitdrucks sorgfältig ausgearbeitete Antrag des Fachanwalts umfasst dreißig Seiten. Damit soll die Begiftung der 8.000 Hektar Kiefernforst mit dem Totalinsektizid „Karate Forst flüssig“ im Raum Borkheide, Fichtenwalde gestoppt werden. Zugleich wird beantragt, in einer Zwischenverfügung dem Landesforstbetrieb die Ausbringung des Totalinsektizid zu untersagen, bis das Gericht über den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung entschieden hat.

In seinem Eilantrag legt der NABU Brandenburg dar, wie unverhältnismäßig hoch der Schaden an geschützten Tier- und Pflanzenarten durch den Einsatz des Breitband-Insektizids „Karate Forst flüssig“ ist.

  • Bei neun besonders geschützten Schmetterlingsarten ist von einer unmittelbaren Tötung oder einer Schädigung in ihrer Entwicklung auszugehen. Das betrifft u.a. Trauermantel, Kleinen Feuerfalter und Kaisermantel.
  • Erheblich betroffen sind aber auch Fledermäuse und Vögel durch den Nahrungsentzug und die Störung während der Jungenaufzucht. In dem Befliegungsgebiet sind 13 Fledermausarten nachgewiesen, die für ihre Ernährung auf Insekten angewiesen sind.
  • Betroffen sind aber auch Reptilien und Amphibien, darunter zwei streng geschützte Arten. Eine Vielzahl von Untersuchungen zeigt, dass Amphibien sowohl über die Anreicherung des Giftes in der Nahrungskette, als auch durch den Nahrungsmangel durch den Insektizideinsatz vergiftet oder geschädigt werden.

In dem Befliegungsgebiet liegt auch das nach europäischem Recht geschützte Flora-Fauna-Habitatgebiet „Hackenheide“. Für die Ausbringung des Totalherbizids über dem wertvollen Heide-Magerrasen-Komplex liegt weder das Einvernehmen des Landesamtes für Umwelt vor, noch hat die notwendige Verträglichkeitsprüfung stattgefunden.

Der NABU widerlegt auch die Behauptung des Landesforstbetriebes, dass mit einem großflächigen Absterben der Kiefernwälder durch den Fraß der Nonnenraupen zu rechnen sei. Privatdozent Dr. Werner Kratz, Ökotoxikologe und stellvertretender Vorsitzender des NABU Brandenburg verweist dafür auf Erfahrungen aus Gebieten mit massivem Schädlingsbefall, die sich innerhalb kurzer Zeit wieder erholt haben. „Wir haben große Kieferflächen in der Lieberoser Heide, die mit Raupen des Kiefernspinners befallen waren. Dort wurden im Jahr 2014 Teilflächen gespritzt, in Naturschutzgebieten liegende Flächen aufgrund der Intervention des NABU aber nicht. Beide Flächen unterscheiden sich heute nicht mehr voneinander. Der Wald hat sich nach diesem Schädlingsbefall erwartungsgemäß erholt. Dies belegt der NABU gegenüber dem Gericht mit eindrucksvollen Fotos. Eine gleiche Situation ist in der Schorfheide festzustellen. Dort war der Kiefernwald nach einem Nonnenfraßereignis 2003 nach vier bis fünf Jahren wiederhergestellt.“

Auch mit der Behauptung, dass ein erhöhter Totholzanteil zwingend zu einem Anstieg der Waldbrandgefahr führen würde, setzt sich der Antrag auseinander. Der vom Landesforstbetrieb befürchtete Kahlfraß der Kiefern führt nicht unmittelbar zum Absterben der Bäume und damit zu Totholz. Darüber hinaus können einzelne abgestorbene Bäume im Rahmen der Waldbewirtschaftung entfernt werden. Außerdem werden Untersuchungen der Hochschule Eberswalde angeführt, dass vermodernde Totholzstämme zu mehr Feuchtigkeit im Wald und damit zu einem geringeren Waldbrandrisiko führen.

Der NABU stellt fest, dass wirtschaftliche Einbußen, die sich möglicherweise durch das Absterben einzelner Bäume oder dem vorzeitigen Einschlag von abgängigen Kiefern einstellen könnten, keinen öffentlichen Belang darstellen, die die Naturschutzbelange überwiegen könnten. Durch die Befliegung und die Ausbringung des Totalinsektizids werden verschiedene streng geschützte und eine Vielzahl besonders geschützter Arten sowie ein FFH-Gebiet und FFH-Lebensraumtypen erheblich beeinträchtigt oder gar vernichtet. Deshalb müsse von dem Einsatz des Totalinsektizids „Karate Forst flüssig“ wegen der Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen zwingend abgesehen werden.

Abschließend stellt Friedhelm Schmitz-Jersch, Landesvorsitzender des NABU Brandenburg fest: „Die Erfahrung zeigt, dass die Kiefernforsten ohne die Begiftungsaktion überleben. Der Verzicht auf das Ausbringen des Totalinsektizids vermeidet nicht nur Schädigungen am Ökosystem, sondern verhindert auch die Beeinträchtigung von Gesundheit und Wohlbefinden der dort lebenden Menschen. Aus Kiefernplantagen müssen endlich vielfältige Wälder entwickelt werden. Die Begiftungsaktion widerspricht eklatant einer natürlichen Waldbewirtschaftung. Umwelt- und Agrarminister Vogelsänger kann sich nicht zum Insektenschutz bekennen, und gleichzeitig den großflächigen Einsatz des Totalinsektizids zulassen.“

Quelle: NABU Brandenburg, Presemitteilung vom 09.05.2019

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